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Geschriebenes

Jakob ging natürlich nicht schlafen. Statt dessen fuhr er ins Büro. Wenn Rick glaubte, dass ihm jemand was in die Schuhe schieben wollte, und er zur Tatzeit nicht in der Wohnung der Liebermans gewesen ist, dann konnte Jay sich nicht auf das verlassen was ihm Inspector Valentine als Wahrheit auftischte. Er brauchte einen komplett frischen Ansatz. Die Cops glaubten an das was sie gefunden hatte, und die Story war stimmig, sie würden nicht nach Ungereimtheiten suchen.
Er hatte sich, als er wieder im Wagen gessen war, gleich ein paar Notizen gemacht, was ihm seltsam vorgekommen war. So gab es keine Spur von der Tatwaffe, und auch dass keine Schmauchspuren an Ricks Händen festgestellt werden konnten, schien niemanden vom Mord-Dezernat zu beunruhigen. Natürlich wusste er nichts von Ricks geheimen Fantasien oder Margret Liebermans sexuellen Vorlieben, aber er hatte Zweifel, dass Rick beim Sex Handschuhe getragen hatte. Und auch die Präzession, mit der beiden Opfern ins Gesicht geschossen wurde... Rick verbrachte mindestens einen Tag die Woche am Schussstand, und war sicherlich ein ziemlich guter Schütze, definitiv ein besserer als Jakob, aber ob er das mitten in einem Gefühlschaos, wie es Valentine beschrieben hatte, bringen konnte?
Jakob lehnte sich in seinem Sessel zurück und holte tief Luft. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass er das nur sehen wollte, weil Rick ihn darum gebeten hatte. Dass er sich einredete, einer seiner ältesten Freunde könne einfach kein Mörder sein.

Jay warf einen Blick auf die Uhr und griff dann zum Telefon. Er rief Julie, die Bürogehilfin, Sekretärin, Mädchen für Alles und, neben Rick, Dritte im Bunde von Private Eyes Inc, an. Er erklärte ihr in wenigen Worten was passiert war, und dass das Büro vorübergehend geschlossen sei, bis die Sache geklärt sei, und sie solange bezahlten Urlaub nehmen solle. Als das Gespräch beendet war, stellte er sich kurz die Frage was wohl aus Julie werden würde, sollte es tatsächlich soweit kommen, dass sie das Geschäft dicht machen mussten. Sie war immerhin alleinerziehend, und Leon ein wirklich guter Junge. Schnell verdrängte er dieses Szenario wieder. Wenn es Beweise gab, das Rick nicht der Täter war, dann würde er sie finden müssen. Bevor er das Büro verlies, schnappte er sich noch den Akt der Liebermans aus dem gut sortierten Schrank. Sie behielten von jedem Fall den sie übernahmen eine Kopie, und ausnahmsweise lohnte sich der ganze Papierkram mal.

Als Jakob Lauroto bei dem Wohnblock in der 86. Strasse ankam, war es bereits halb 8. Zu seinem Glück waren aber immer noch zwei Männer von der Spurensuche vor Ort, welche die Wohnung nach der Tatwaffe abgesucht hatten. Gerade als Jay vor der Tür aufkreuzte, wollten sie den Tatort ohne Ergebnisse verlassen.
Er zeigte ihnen seine Lizenz, "Hey, Inspector Valentine hat mir erlaubt mich kurz umzusehen. Die Opfer waren Kunden, ich fasse auch nichts an."
Die beiden tauschten kurz einen Blick aus, und dann zuckte der Ältere mit den Schultern. "Unsere Arbeit ist sowieso längst erledigt. Viel Spaß." Sie packten ihre Taschen und duckten sich unter den gelben Absperrbändern durch.

Jay betrat die Wohnung, in der sich offensichtlich ein kostspieliger Innenausstatter austoben durfte. Die Wände waren in einem sanften Creme-Ton ausgemalt, der Boden mit glattpoliertem Echtholz ausgelegt. Alles wirkte ein wenig teurer als nötig gewesen wäre, handverlesen und stilvoll. Er wanderte planlos durch die Gegend, lies seinen Blick über die Bilder und wenigen Ziergegenstände gleiten. Die Wohnung wirkte zwar bewohnt, aber nicht wirklich persönlich, ohne jedoch kalt und abwesend zu sein. Atmosphärisch hielt sich die selbe seltsame Balance, in der sich die Einrichtung zwischen Schlichtheit und überladenem Geprotze bewegte. Der Privatdetektiv versuchte sich vorzustellen, wie es wohl sein musste, so zu leben. In der Mitte, zwischen den Extremen.

Schliesslich kam er irgendwann in dem geräumigen Schlafzimmer an, bisher war ihm nichts auffälliges ins Auge gesprungen. Nichts, das ihm dabei half, die Ungereimtheiten zu erklären und Rick reinzuwaschen.
Jakob fand das Zimmer genauso vor, wie es in den Fotos und Beschreibungen von Inspector Valentines Akt dargestellte worden war. Das übergroße schmiedeeiserne Bett, mit den noch zerwühlten Kissen und Decken in dem Margret Lieberman tot zusammengebrochen war, nachdem man sie erschossen hatte.
Die Umrisse, wo Steven Lieberman mit einer Kugel im Kopf gestorben war, befanden sich direkt vor Jays Füssen. Dunkle Blutflecken, vertrocknete kleine Poole, sowie vereinzelte Spritzer bildeten ein abstraktes Muster auf dem Holzboden.
Jakob stellte sich das Szenario vor, wie es ihm Valentine geschildert hatte, alles schien plausibel, ja so musste es abgelaufen sein. Auch wenn er Privater Ermittler war, hatte er weniger ein kriminalistisches Gespür, um solche Fälle zu lösen. Sein Talent lag eher darin, dass er spüren konnte, ob jemand die Wahrheit sagte oder sich da besondere Freiheiten nahm. Selbst jahrelanges Training im Verfolgen von Fernseh-Serien, wo mit Bauchgefühl und Technik-Schnickschnack jeder Täter überführt wurde, halfen ihm hier nicht, die Wahrheit herauszufinden. Wenn es denn eine andere Wahrheit gab, als die, von der Polizei aufgestellten Theorie.
Das Schlafzimmer schien noch der persönlichste Raum der Liebermans gewesen zu sein, hier fanden sich Fotorahmen mit Bildern aus den früheren Tagen des Paares, Zeitschriften und Bücher auf den Nachtkästchen, eine Spieluhr auf der Frisier-Kommode, ein signierter Baseball in einer kleinen Vitrine. Jay prägte sich alles genau ein.
Als er sich zwischen den Absperrbändern hindurchduckte, fiel die Tür hinter ihm in den Rahmen, aber das Schloß schnappte nicht ein. Offensichtlich hatten die eintreffenden Einsatzkräfte die Tür gewaltsam öffnen müssen.

- BM out -

Jay hatte sich danach noch ausführlich mit Inspector Valentine unterhalten. Und letztlich hatten dessen Ermittlungen ein ziemlich schlüssiges Bild gezeichnet, bei dem sich jedes Teil zusammen fügte und das ausnahmslos gegen Rick Cavalera sprach. Die Polizei betrachtete den Fall bereits als abgeschlossen, und war bereit ihn dem Richter vorzulegen und danach den Akt irgendwo im Archiv zu versenken, und Rick würde lebenslänglich ins Gefängnis wandern. Valentine hatte zwar von SingSing gesprochen, aber für Jakob war die Vorstellung, das Rick in einem Hochsicherheitsgefängnis landen würde, nicht nachvollziehbar. Andererseits, hätte er sich auch nie vorstellen können, das jemand, den er so lange kannte, überhaupt in diese Situation kommen würde.
Der Akt den Valentine präsentierte, erzählte jedenfalls folgende Geschichte:

Mister Lieberman hatte am 12. des Vormonats die Privatdetektei "Private Eyes Inc." angeheuert herauszufinden, ob seine Ehefrau ihn mit einem anderen Mann betrügt. Da er geschäftlich viel unterwegs war, hätte sie dazu allerlei Grund und Gelegenheit. Nachdem die Detektei den Fall angenommen hatte, stellte sie bald fest, dass Margret Lieberman es mit ihrem ehelichen Treuegelübde tatsächlich nicht sonderlich ernst nahm. Mister Lieberman wurde am 25. September von den Ermittlungen informiert, ihm wurde das entsprechende Beweismaterial übergeben und die Detektei ausbezahlt.
- Diesen Teil der Geschichte hatten sie von Rick, und die Angaben waren, soweit Jakob es wusste auch korrekt.

Irgendwann in dem Zeitraum von Beginn der Ermittlungen bis Ende September jedoch hatte Richard Cavalera selbst eine Affäre mit Mrs Lieberman begonnen. In den letzten 2 Wochen jedenfalls hatten sich die beiden 5 Mal getroffen, das war wenig spektakulär in ihrem Terminkalender eingetragen.
- Jakob fragte sich wozu Mr. Lieberman die Agentur angeheuert hatte, wenn es ihm seine Frau so einfach machte etwas über ihre Liebhaber herauszufinden.

Der Tathergang wurde von der Polizei so dargestellt, dass Rick und Mrs. Lieberman sich letzte Nacht in der Wohnung der Liebermans getroffen hatten, da Mr. Lieberman geschäftlich verreist war. Dafür sprachen die beiden Weingläser, mit Fingerabdrücken, die zwar noch bei der Analyse waren, aber erste Vergleiche sprechen dafür, dass es sich um die Hinterlassenschaften der beiden handelt. Außerdem wurde ein benutztes Kondom sichergestellt, das ebenfalls noch analysiert wird, aber Valentine war sich auch hier sicher auf wen die DNA-Spuren hinweisen würden.
Leider war Mr. Liebermans geschäftlicher Termin nur vorgetäuscht gewesen, da er seine Frau in flagranti erwischen wollte. Kurz nach Mitternacht kehrte Steven Lieberman in seine Wohnung zurück, und fand seine Frau Margret mit Rick Cavalera im Bett. Als der gehörnte Ehemann feststellte, dass niemand anders als der Privatdetektiv den er selbst angeheuert hat, in die ehebrecherischen Aktivitäten verwickelt ist, begann ein Streit.
Er drohte: "Ich werde dafür sorgen, dass Ihre kleine, schäbige Detektei den Bach runtergeht und sie in der ganzen Stadt nie wieder Arbeit finden."
Daraufhin erschoss Rick Cavalera Steven Lieberman.
Mrs Lieberman schrie: "Oh mein Gott! Was hast Du getan?"
Daraufhin erschoss Rick auch sie.
Kurz darauf verlies er die Wohnung.
- Die beiden Schreie und die Schüsse konnte die Nachbarin, die auch den Notruf verständigte, klar hören. Sie stand in der geöffenen Tür ihrer Wohnung als Rick die Wohnung der Liebermans verlies, und konnte ihn so erkennen und beschreiben. Außerdem konnte sie ihn vom Fenster in seinen Wagen einsteigen sehen.

Als Inspector Valentine mit seinen Ausführungen zu Ende war, saß Jay mit genauso hängenden Schultern da, wie er es bei Rick eine Stunde zuvor gesehen hatte. Selbst ein guter Anwalt konnte das hier nicht umdrehen, und ein Privatdetektiv schon gar nicht - die Beweise waren schlüssig.
"Ich weiß sie sind schon lange befreundet, und ich habe schon oft selbst gut mit ihm zusammen gearbeitet. Aber so etwas passiert. Sie würden nicht glauben, wie viele Leute die ich selbst kenne, einen Kurzschluss hatten, und etwas getan haben, dass sie ihr restliches Leben bereut haben."
Jay schaute zu Valentine rüber. Ricks Worte hallten in seinem Kopf wieder "Vertrau mir - Ich war es nicht."
"Stört es Sie, wenn ich mich trotzdem ein wenig umschaue und umhorche?"
Der Inspector trank gerade einen Schluck Kaffee aus einer Tasse mit dem peinlichen Aufdruck 'Supercop' und einer tönerne Polizeimarke, das ganze schien sehr selbstgemacht. Er machte mit der freien Hand einfach eine Bewegung die so ziemlich alles bedeuten konnte. Jay interpretierte es als eine Freigabe und stand auf.
Als er sich gerade umdrehte, setzte Valentine die Tasse ab, "Sie machen sich sorgen, dass sie ihre Detektei zusperren können, wenn das in die Medien kommt, huh?"
Jay drehte sich nochmal um, stütze sich an der Lehne des Stuhles ab an dem er gerade gesessen war. Für ein paar Sekunden überlegte er ein wenig, horchte in sich hinein. "Nein, eigentlich nicht. Ehrlich gesagt, mache ich das jetzt schon ein wenig zu lange. Promiskuite Eheleute beobachten, Angestellte auf ihre Vertrauenswürdigkeit überprüfen, Männer suchen die sich vor ihren Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Kindern drücken... Es nimmt einem die Illusion, dass da draußen auch nur eine anständige Seele rumläuft."
"Ich weiß was Sie meinen. Man zweifelt an, ob man seine Kinder in so einer Welt großziehen will...", gab der Polizeibeamte zurück und schüttelte den Kopf.
"Nunja, manchmal denke ich, ich hätte schon vor 6 Jahren, als meine Frau gestorben ist damit aufhören sollen. Vielleicht ist das ja jetzt ein Wink von oben." Er pausierte kurz, während er wieder auf die Tür zumarschierte. "Abgesehen davon, noch habe ich ja nicht mit meiner Arbeit begonnen. Wer weiß was ich noch finde."
Inspector Valentine gab ein freudloses Lachen von sich, "Auf Wiedersehen, Mister Lauroto. Schlafen sie sich aus, sie sehen müde aus!"

- BM out -

Er riss die Augen auf und blinzelte in die Dunkelheit. Das melodische Scheppern neben ihm, nahm an Intensität zu, wurde mit einem dumpfen Brummen verstärkt, das dem Mobiltelefon dabei half über das Nachtkästchen zu tanzen. Er keuchte tief, als er die kühle Nachtluft erstmals bewusst einatmete und griff nach dem Handy bevor es sich über den Rand seiner Welt stürzen konnte und womöglich unter das Bett tanzen würde. Ein Ort den seine Putzfrau regelmässig vergas, wenn sie mit dem Staubsauger unterwegs war.

04:21
'Rick'


Das Licht des Displays war unglaublich grell, gerade im Vergleich mit der gerade erst entdeckten Dunkelheit des Schlafzimmers. Jay drückte schnell die grüne Wähl-Taste um das Gespräch anzunehmen. Statt einer Begrüßung gähnte er laut, nur um seinen Gesprächspartner gleich mal wissen zu lassen, was er davon hielt, mitten in der Nacht geweckt zu werden.

"Jay!", Rick klang ziemlich aufgeregt. Es war eine feine Nuance, die den Klang seiner Stimme von seinem üblichen Enthusiasmus trennte, aber Jay konnte die beiden ganz gut auseinander halten.
"Ich weiß. Und ich schätze mal, du weisst wie spät es ist?"
"Ja, ich weiß.. und es tut mir leid. Aber ich brauche Dich ganz dringend am 28. Revier. Komm so schnell Du kannst, es ist wirklich wichtig."
Jay seufzte tief. Wenn die Stimme seines Kollegen nicht von so einer ernsthaften Dringlichkeit durchdrungen gewesen wäre, hätte er es sich vielleicht überlegt, ob er nicht lieber nochmal rumrollt, die Decke über den Kopf zieht und die letzten 2 Stunden seines verdienten Schlafs konsumieren wollte. So jedoch nickte er bloß, was Rick zwar nicht hören konnte, aber sowieso antizipiert hatte, und legte auf.
Während er die Füße über den Bettrand schob um ins Badezimmer zu trotten, vergas er seinen ersten Gedanken auch schon wieder: die Einstellungen der Klimaanlage für die Nacht ein wenig hochzudrehen.

Die große Uhr an der Wand des Eingangsbereiches zum 28. Revier war gerade drauf und dran seinen Zeiger auf 4:45 zu schieben, als Jay die Halle betrat und auf den diensthabenden Polizisten zuschlenderte. Er hatte sich mit der notwendigen Katzenwäsche begnügt um menschlich zu wirken, und auf Feinheiten für sein gewohntes Auftreten verzichtet. Solange die Haare nicht in alle Richtungen standen, die Zähne geputzt waren und die Kleidung in Ordnung, sollte es ja wohl reichen um seinen Morgen auf einem Polizeirevier zu beginnen.
"Guten Morgen, ich bin Jakob Lauroto. Ich komme zu Mr Cavalera."
"Cavalera? Oh, ich weiß schon. Befragungszimmer 3. Das ist im 2. Stock, links. Ist angeschrieben."
Jay nickte ihm zu und marschierte auf die Treppe zu. Er kannte das 28. Revier nicht wirklich, aber er hatte schon soviel Zeit auf Polizeirevieren verbracht, und die meisten waren sich doch ähnlich angelegt.

Jakob Lauroto war jemand der meistens müde und abgespannt wirkte. Das mag für eine Uhrzeit kurz vor 5 in der früh auf viele Leute zutreffen, aber für Jay gehörte es zu seinem Äußeren wie das immer mehr werdende Grau in den Haaren oder dass er immer in dunkelblauen Anzügen rumlief. Es lag an seinen Augen, das wusste er. Es war der Ausdruck seiner Augen, die ihn stets so müde wirken liesen. Das war schon als er noch ein Junge war so gewesen, und hatte ihm oft zum Vorteil und manchmal aber auch zum Schlechteren gereicht. Und auch die letzten 20 Jahre, in denen er als Privatdetektiv gearbeitet hatte, hatten einiges zu diesem Gesichtsausdruck beigetragen.
Jetzt wo er seinen 42. Geburtstag hinter sich hatte, dachte er sich, hatte er es sich verdient, so fertig auszusehen wie er sich oft fühlte. Doch wenn es jemanden gab, der so wirkte als hätte er eine harte Nacht hinter sich, dann war das sein Kollege Rick Cavalera, als Jakob ins Besprechungszimmer 3 kam.

Ein junger Officer stand vor der Tür des Befragungszimmers. Jay nannte seinen Namen und zeigte ihm seinen Ausweis, und erklärte, dass Rick ihn angerufen hatte und sie Kollegen waren. Der junge Mann deutete ihm einen Moment zu warten und öffnete die Tür, wechselte ein paar Worte bis ein anderer Polizist in der Tür erschien. Das bekannte Gesicht von Inspector Valentine, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte dem Klischee eines überarbeiteten, mürrischen Fernseh-Polizisten zu entsprechen, tauchte neben dem Türrahmen auf und winkte ihn hinein. Kaum das Jay das Befragungszimmer betreten hatte, verlies Valentine den Raum auch schon wieder. "Ich geb' euch 10 Minuten Jungs, das bin ich euch schuldig."
Zu Jakobs Erstaunen waren Rick und er plötzlich allein.

"Was geht hier vor?", Jay lies sich auf dem Metallsessel gegenüber seines langjährigen Partners nieder. Die beiden trennte nun nur mehr der wackelige Blechtisch. Der Raum war in einer stahlgrauen Farbe gestrichen, die mehr als nur nüchtern wirkte, und das kalte Neonlicht der Röhre über ihnen trug den Rest bei. Das war ein Ort, an dem man nicht freiwillig viel Zeit verbrachte.
Rick saß mit hängenden Schultern vor ihm, eine Pose die so unnatürlich und falsch wirkte, wenn man ihn kannte, und wusste wie das Gehabe dieses Mannes sonst war.
"Es tut mir leid, dass ich dich da mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen habe. Aber es ist wirklich wichtig. Du musst mir genau zu hören."
Jay machte eine Handbewegung um Rick zu signalisieren, dass er nicht vorhatte zu unterbrechen.
"Also: es geht um Mord. Doppelmord sogar. Ich wurde deswegen vor ca zwei Stunden verhaftet...", wie um es zu beweisen hob Rick die beiden Arme unter dem Tisch hervor, die in Handschellen gefasst waren.
"Du hast jemanden umgebracht?", unterbrach Jay doch Ricks Redefluss, mit einem überraschten Einwurf.
"Natürlich nicht!", gab dieser scharf zurück. "Also: Ich weiß nicht viel. Valentine ist zwar ein alter Bekannter, aber er wollte ein Geständnis von mir, und glaubt scheinbar ich stelle mich dumm oder so. Die Toten sind Mister Steven Lieberman und seine Frau Margret Lieberman. Sie wurden heute gegen Mitternacht in ihrer Wohnung erschossen."
"Und warum glauben die Cops dass Du es warst?"
"Indizien."
"Indizien?"
"Ja, sie haben scheinbar irgendwas persönliches von mir dort gefunden. Außerdem gibt es scheinbar einen Zeugen."
"Ein scheinbarer Zeuge?"
"Ja, jemand will mich flüchten gesehen haben."
"Das ist ein Scherz."
"Nein. Das ist kein Scherz."
"Wir haben Mitte Oktober, was wird das? Ein verspäteter 1. April? Ein vorgezogener Halloween-Schock?", Jakob fing zu lachen an, bis ihm Ricks Blick die Kehle zuschnürte.
Rick starrte ihn mit dem ernstesten Blick an, den Jakob jemals in dessen Gesicht gesehen hatte. Obwohl Rick nur um ein Jahr jünger war als er, hatte er es geschafft sich das jugendliche Aussehen und den Charme eines Mitt-Zwanzigers zu erhalten. Das hatte ihm auch einen Blick eingebracht, der meist ein spitzbübisches Lächeln im Augenwinkel trug, so als ob er gerade an etwas ziemlich unanständiges oder verdammt lustiges dachte. Was wohl auch oft der Fall war. Aber in diesem Moment, als die beiden in Befragungszimmer 3 des 28. Reviers sassen, konnte Jakob zum ersten Mal sehen, wie verdammt Ernst es Rick war und dass dieser wirklich Angst hatte. Jay wusste, dass er diesen Blick sein lebenlang nicht mehr vergessen würde.
Jay räusperte sich.
"Also ein scheinbarer Indiz und ein scheinbarer Zeuge. Haben sie auch ein Motiv gegen Dich in der Hand?"
Rick senkte den Blick.
"Du hattest ein Verhältnis mit ihr?"
"Shhh.", zischte der Verhaftete und nickte in Richtung der Überwachungskamera die im Eck über der Tür zu dem Zimmer hing.
"Du hattest ein Verhältnis mit Margret Lieberman...", wiederholte Jay unbekümmert und nickte dabei anerkennend, "Selbst wenn sie das noch nicht wissen, wissen sie es bald. Ein Mann in deinem Alter, der seit Jahren keine Beziehung mehr hatte, aber beruflich fast ausschliesslich mit frisch Geschiedenen oder Ehebrecherinnen zu tun hat. Na, da braucht man keinen Abakus um das zu summieren..."
"Du hast auch keine Freundin, Mister Abakus."
"Ich bin Witwer.", gab Jakob von dem Kommentar ungerührt zurück.
Ricks Gesicht bekam für einen Moment einen roten Glanz, aber die Wut die kurz aufgestiegen war, verging so schnell wie sie gekommen war. Er hatte im Moment offensichtlich ganz andere Sorgen, als das ihm sein Partner auf seine Sexgeschichten draufkam.
"Ich meine, ich weiß dass Du eine Affäre nach der anderen hast. Ich bin ja nicht zufällig in diesen Beruf gerutscht, aber Margret Lieberman ..und dann bringst du sie und ihren Mann auch noch um. Wow, Rick... da verschlägt es mir die Sprache."
"Ich habe die beiden nicht umgebracht. Verdammt nochmal. Ich dachte eigentlich, dass Du mir glauben würdest, und mir aus der Patsche hilfst."
"Du glaubst, du brauchst einen Privatdetektiv wichtiger als einen Anwalt?"
"Was ich brauche, ist ein Freund, du Idiot! Abgesehen davon, ist mein Anwalt schon am Weg. Also, hilfst Du mir? Findest Du raus was hier gespielt wird?"
"Das heißt also, Du bist der Meinung, dass dir jemand was unterschieben will?"
"Genau. Jay, Du kennst mich jetzt seit fast 25 Jahren. Vertrau mir - ich war es nicht."
"Alles klar, ich werde mich sofort an die Arbeit machen.", Jay stand auf und schüttelte Rick zum Abschied die Hand.
"Achja, hast Du wenigstens ein Alibi?"
Rick schüttelte schweigend den Kopf.
"Keine verheiratete Frau, die Dich zur Tatzeit zwischen ihren Schenkeln gesehen hat? Jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt die Ehre einer Frau zu schützen, die von ihrem Ehemann zu wenig Aufmerksamkeit bekommt."
"Ich war allein. Und jetzt hau endlich ab.", knurrte Rick, dem die Sticheleien seines Kollegen langsam zuviel wurden.
Jakob ging zur Tür und klopfte, damit ihn der Wacheschiebende Polizist raus lies.

- BM out -

Nethack. Ich liebe es. Ein kleines Programm in ASCII-Grafik, bei dem sich ein Abenteurer durch einen zufalls-generierten Dungeon schnetzelt und zaubert , auf der glorreichen Suche nach dem Amulett von Yendor.
Trotz, oder wahrscheinlich gerade wegen, der zweckmässigen Darstellung, dem flotten Spielprinzip aber den vielfältigen Möglichkeiten erzeugt das Spiel einen ganz eigenen Sog. Und man erlebt aufregende Abenteuer, die man sich halt selbst erzählt, die man mit seiner Vorstellungskraft in den bunten Farben ausmalt, welche die Buchstaben-Grafik nicht bieten kann.
Ich spiele Nethack nicht ernst genug um wirklich lange zu überleben, bin nicht vorsichtig und zurück haltend genug. Gefundene Gegenstände lege ich an, obwohl sie verflucht sein könnten, getötete Monster esse ich, auch wenn sie giftig sein könnten und Zauberbücher lese ich, selbst wenn der Intellekt meines Charakters nicht dafür ausgelegt ist. Ein aufregender Lauf durchs Verlies mit einem spektakulären Abgang und dabei großartige Gegenstände finden - mehr erwarte ich nicht.

Doch manchmal ergeben sich tatsächlich aufregende Geschichten, wenn ich Nethack spiele. Eine davon, ist diese...


Sie blinzelt als sie den Eingang in das Verlies durchschreitet. Mit einem mal ist es stockdunkel, das bis gerade eben gleissende Sonnenlicht mit einem mal verschwunden. Es ist als ob der finstere Höhlenschlund das Licht und alle Helligkeit mit sich verschluckt.
Meschlan tastet sich vorsichtig voran, der Boden ist zwar uneben aber von den vielen Abenteurern vor ihr glatt poliert. Sogar die Geräusche des Waldes sind mit einem mal verschluckt, und auch alle anderen Geräusche scheinen von den kalten Steinwänden absorbiert zu werden. Sie schluckt schwer. Worauf sie sich da bloß eingelassen hat?
Ihren rechten Arm am Schwertknauf und die Zügel ihres Pony in der anderen Hand schiebt sich die junge Ritterin weiter, bis sie zu dem Treppenabsatz kommt. Genauso wie man es ihr gesagt hatte. Während sie die gewundene Treppe hinabsteigt, stellt sie fest, dass sich ihre Augen an die dunkle Umgebung gewohnt haben. Zuerst sind es bloß schwache Schemen und Konturen die sie wahrnehmen kann, dann wird die Dunkelheit um sie immer kontrastreicher bis sie wieder beinahe normal sehen kann. Als ob die Abwesenheit des Lichtes der Dunkelheit ein eigenes Leuchten abringt, dass es an der Oberwelt nicht gibt.

Endlich erreicht sie das Ende der Treppe und findet sich in der ersten große Halle des unterirdischen Verlieses wieder. Niemand weiß wieviele Etagen das Verlies haben soll, die wenigsten Abenteurer die es betreten haben, sind jemals zurück gekehrt. Die wenigen die es wieder an die Oberfläche geschafft haben, waren kaum tiefer als zum 7. Stockwerk gekommen, bis sie es mit der Übermacht an Monstern nicht mehr aufnehmen konnten und geflohen sind. Doch das waren meist goldgierige Draufgeher gewesen, übermütige Glücksritter und Recken die bloß auf Ruhm aus waren.
Sie jedoch, Meschlan die Ritterin, war eine Auserwählte. Ihr Gott, Lugh, hatte sie erwählt um in den Tiefen des Verlieses nach dem heiligen Amulett von Yendor zu suchen. Sie würde es finden, zurück an die Oberwelt bringen, und so ihrem Gott einen heiligen Dienst erweisen. Es war ihre Bestimmung, dafür war sie geboren worden, dafür war sie ihr Leben lang trainiert worden.

Sie warf einen Blick durch diesen ersten Raum und konnte schon am anderen Ende einen Durchgang ausmachen. Die Decke der behauenen Höhlen war hoch genug um zu reiten, und zu Pferde, bewaffnet mit ihrer Lanze würde keines der Monster von denen ihr erzählt wurde, eine Chance haben. Sie würde durch die Horden pflügen und Tod säen.
Die Zügel in der Hand, stieg sie in den Steigbügel um sich in den Sattel zu schwingen... und rutscht ab, fällt zu Boden. Autsch. Sie muss auf einen spitzen Stein am Boden gefallen sein, denn sie konnte spüren, dass sie sich dabei ernsthaft verletzt hatte. Doch darum würde sie sich später kümmern, nun musste sie erstmal weiter.
Sie rappelte sich auf, nahm wieder die Zügel in die Hand und stemmte ihren rechten Fuss in den Steigbügel. Doch statt im Sattel zu landen, krachte sie wieder zu Boden. Wie gab es denn das? Das war ihr noch nie passiert. Selbst bei ihrem ersten Reitversuch war es ihr gewesen, als ob sie auf dem Rücken eines Pferdes geboren wurde. Ob es an dieser dunklen, verfluchten Höhle lag?
Ihr Pony schaute sie mit großen Augen an und blähte die Nüstern auf. Es schüttelte den Kopf und gab ein belustigtes wiehern von sich, als ob es sich fragte, warum Meschlan dauernd abrutschte statt wie gewohnt im Sattel zu bleiben.

Meschlan, sich die schmerzenden Stellen reibend, stampft wütend auf den Boden. Wie auch immer sie da gefallen war, es hatte wirklich weh getan und sie somit erbost. Das konnte doch wirklich nicht angehen, dass sie, als waschechte Ritterin, nicht auf ihrem Ross durch dieses Verlies reiten sollte um den ganzen Monstern den Gar aus zu machen, daran scheitern das Amulett von Yendor zu finden und in Lughs Tempel zu bringen. Sich-er-lich nicht!
Zügel in der Hand, Fuss am Steigbügel, hochziehen ...wieder fällt sie zu Boden. Doch diesmal rührt sie sich nicht mehr. Ihr Ross bleibt noch ein paar Minuten stehen und schaut sie erwartungsvoll an.
Es ist still in der Höhle. Nur ein leises Kichern ist von irgendwo zu hören.

Ich sitze auf einer der breiten Holzbänke, gleich wenn man von der U6-Station runter kommt. Ich habe abgewartet bis der Höhepunkt der Mittagshitze endlich vorbei war um endlich mal wieder auf die Donauinsel zu kommen. Ich war viel zu lange von hier fort, und obwohl ich es nicht gemerkt habe, hat mir dieser Teil der Stadt gefehlt. Es fühlt sich gut und richtig an hier zu sitzen. Auch wenn es wesentlich wärmer ist, als mir gerade lieb ist.
Ich bin nicht der einzige der auf die Idee gekommen ist, hierher zu kommen, auch wenn es noch nicht völlig überlaufen ist, wie es wohl in etwa einer Stunde der Fall sein wird. Ich habe nicht vor, dann noch hier zu sitzen, aber in dem Moment ist es genau richtig so.
Ich schaue über die felsige Böschung hinweg aufs Wasser, das trübe alte Donau-wasser das sich Richtung schwarzem Meer schleppt. Auf der anderen Flussseite, über der eigentlichen Insel, ragt der Milleniumstower auf. Ich denke darüber nach, dorthin zu gehen, um mir beim Starbucks einen erfrischenden Frappuccino zu holen, als sich jemand neben mich setzt. Weniger neben mich, als mehr auf die selbe Bank, auf das Äußere Ende, weit genug entfernt um gerade noch auf der selben Bank zu sitzen.
Ich werfe einen kurzen Blick in die Richtung, und schätze sie auf irgendwo Anfang 20. Eine Schätzung die sich später als Richtig herausstellen soll, wobei es mir sonst schwerer fällt bei solchen Ratespielen richtig zu liegen. Sie fischt in ihrer Tasche nach einem Buch, über ihre eigentliche Erscheinung kann ich bei dem kurzen Seitenblick aber nichts feststellen. Ein Fischerhut verdeckt fast alle Haare, die scheinbar blond bis dunkelblond sind, und eine große Sonnenbrille die Oberhälfte des Gesichts.
Als sie gerade ihr Buch aufschlägt, sage ich laut: "Los jetzt, das ist ein Wettkampf keine Siesta. Bewegung!" Ich weiß nicht warum, wirklich, es ist ein Reflex. Inspiriert aus dem Buch das ich kürzlich zu Ende gelesen habe, wo ein dicker Russe im Drogenrausch den Wettlauf zweier Bäume anfeuert, wollte ich irgendetwas in der selben Art auch erleben. Statt Drogenrausch halt Sonnenstich, aber die Worte haben die gewünschte Wirkung. Ich höre wie sie das Buch sinken lässt, und spüre wie sie mich anschaut.
Ich drehe mich zu ihr, und lächle entschuldigend: "Sorry, ich habe nicht dich gemeint. Ich meine die beiden dort.", und deute gerade aus auf den Asphaltstreifen vor uns. Ihr Blick folgt meiner Hand und sie schaut mich fragend an.
Ich stehe auf und mache einen großen Schritt nach vorne, deute davor hockend auf zwei Steine die dicht nebeneinander kurz vor dem grünbraunen Grasstreifen liegen, der hinunter zum Ufer führt.
"Die beiden hier", erkläre ich nochmal und setze mich wieder auf die Bank. Neben sie. "Siehst Du den großen Stein dort vorne?", frage ich sie und deute auf den Grasstreifen.
"Den abgeschlagenen?", ihre Stimme ist völlig neutral, was mich wundert. Ich hätte entweder Skepsis oder Interesse erwartet.
"Genau den. Sie konnte sich nicht entscheiden, mit wem von beiden sie heute Abend fortgehen soll, und nun soll ein Wettrennen darüber entscheiden. Sie haben mich gebeten den Schiedsrichter zu spielen, aber das dauert mir jetzt langsam doch zu lange."
"Wie lange geht das jetzt schon?", fragt sie. Ich glaube ein unterdrücktes Lachen in der Frage zu hören.
Ich schaue auf meine nicht vorhandene Armbanduhr, seufze tief "20, 25 Minuten."
Sie nickt. Eine Pause entsteht und ich merke wie sie gerade ihr Buch wieder aufschlagen will, also rede ich schnell weiter.
"Es hat so gut begonnen, und jetzt kurz vorm Ziel geben sie auf. Anfangs dachte ich ja, dass wäre taktisches Kalkül, aber ich glaube mittlerweile, sie sind einfach so gute Freunde und keiner will dem anderen die Tour vermasseln."
Sie lässt das Buch wieder sinken, schaut erst mich an, dann die Steine. "Der Grasstreifen ist das Ziel?", fragt sie mich.
Ich nicke und brumme Bestätigung.
"Hm, das ist wirklich knapp."
Wir schauen beide die Steine an, schweigend.
"Wer glaubst Du gewinnt, sollten sie sich doch noch entscheiden es zu Ende zu bringen?", will sie plötzlich von mir wissen. Das Schweigen war nicht wirklich lang, aber es war ein gemeinsames Schweigen, finde ich.
"Ach, Mineralogie war noch nie meine Stärke. Ich kanns echt nicht sagen."
"Hm, als Schiedsrichter solltest Du wohl auch keinen Favoriten haben."
Ich lache. Mit der Antwort habe ich nicht gerechnet. Sie grinst.
"Hast Du einen Favoriten?"
"Ich glaube der blaugraue schafft es."
Ich schaue die beiden Steine genauer an, und tatsächlich ist der eine blaugrauer als der andere. Anthrazit vielleicht. Es ist der Stein der knapp 1 cm weiter vom Grassteifen entfernt liegt. Meine Stirn legt sich in Falten.
"Warum der?"
"Ich weiß nicht. Er schaut einfach windschnittiger aus, schneller. Ein Sieger halt."
"Aussehen? Du bist so oberflächlich?", ich mische eine große Portion Enttäuschung in meine Stimmung und rutsche ein Stück von ihr fort. Sie grinst und zupft einen Ärmel ihres T-Shirts zurecht.
Wir schauen wieder den Steinen zu, wie sie sich keinen Millimeter weiterbewegen. Es ist das Sportereignis für Schreckhafte.
Plötzlich steht sie auf und schiebt ihr Buch, von dem ich bisher noch immer nicht das Cover gesehen habe, zurück in die Handtasche.
"Wo gehst Du hin?", will ich wissen. Freundlich, rein informativ gefragt.
"Weiter.", meint sie. Macht eine Armbewegung die einen Großteil der Donauinsel und des umliegenden Wien umfasst.
"Ich komm mit, ok?" Ich hätte nicht um Erlaubnis fragen sollen, denke ich mir noch, während ich es sage.
"Was ist mit den Steinen, musst du nicht schiedsrichtern?", sie deutet auf die beiden blaugrauen Steine, die wenige Meter von uns auf dem Asphalt liegen.
Ich lege einen betroffenen Gesichtsausdruck auf, schaue zwischen den Steinen und ihr hin und her. "Ach, die schauen mir nicht so aus, als ob sie sich am Ende verprügeln, weil sie das Ergebnis nicht hinnehmen können. Die schaffen das auch ohne mich."
Sie grinst und nickt, dreht sich um und geht los. Ich hole sie schnell ein, und überlege mir, ob ich sie auf einen Frappuccino einladen soll. Es ist wirklich viel zu heiß um keinen zu trinken.

Das Nachmittags-Fragment
Sie liegt keine 2m von mir entfernt auf dem Stockbett, die Augen geschlossen, die Locken in einem dunklen Wirbel über den Polster und ihr Gesicht verteilt. Sie fühlt sich seit dem eben absolvierten Skydive schlecht und in ihrem Zimmer ist es zu unruhig, also hat sie hier einen Zufluchtsort aufgeschlagen. Ich beobachte sie still von meinem Bett aus, so gerne ich zu ihr ins Bett klettern würde um sie festzuhalten.
Ich erzähle ihr davon, dass ich mich, als ich am Vormittag aufgewacht bin, nicht mehr erinnern konnte, wie ich zurück in mein Bett gekommen bin, geschweige denn, dass ich überhaupt die Bar verlassen habe. Ich hatte letzte Nacht knapp 50 Euro in Alkohol umgesetzt, also wundert mich dieser Filmriss kein bisschen, zumal ich nicht der einzige aus meiner Runde war, dem es so ging.
Zuerst grinst sie, dann schaut sie auf und sucht meinen Blick. Vorsichtig fragt sie, ob ich mich noch erinnern kann, das wir uns in der Bar unterhalten haben.
Natürlich kann ich mich erinnern, sonst würde ich längst bei ihr im Bett sitzen und sie an mich drücken. Wobei letzteres behalte ich für mich, auch wenn sie versucht es nicht zu zeigen, spüre ich, dass ein Teil von ihr, sich im Moment nichts sehnlicher wünscht als das.
Sie schliesst wieder die Augen und vergräbt ihr Gesicht in der Armbeuge.
Ich beobachte sie noch ein wenig, und gebe dann dem Drang aus dem Zimmer zu flüchten nach.

Das See-Fragment
Der Deutsche, der Holländer und ich umrunden den Spiegelsee und ergötzen uns in der Schönheit der Landschaft. Die beiden anderen haben längst aufgegeben Fotos davon zu machen, und ärgern sich still mit jeder Kurve darüber, dass sie weder endlosen Speicher noch endlose Schauer für die ganzen Fotos haben, die sie am liebsten schiessen würden.
Die Bergkette, die den gegenüberliegenden Horizont bildet, schaut in den leichten Verwerfungen der Wellen, noch fabelhafter aus, als wenn man den Blick ein paar Zentimeter heben würde. Es ist früher Morgen, und eigentlich sollten wir schlaftrunken sein, aber die kalte Luft und der überirdische Anblick hat uns wachgerüttelt. Plötzlich rüttelt mich etwas ganz anderes auf. In der Gruppe an Personen, die uns gerade entgegenkommt, erkenne ich einige Gesichter wieder. Und das kann nur bedeuten, dass die andere Reisegruppe auch an diesem faszinierenden See halt macht. Noch bevor ich mich wirklich drauf vorbereiten kann, biegt sie auch schon um die Ecke. Genaus überrascht wie ich, ihrem Blick nach zu urteilen. Leider nicht allein, und ihre Freunde nehmen meine ganze Aufmerksamkeit in Beschlag, in dem sie mich alle Begrüßen und mir etwas wichtiges erzählen wollen, dem ich nicht wirklich folgen kann, weil ich eigentlich in Gedanken mit mir ringe, wie ich mich nun mit meinem braunäugigen Engel unterhalten soll.
Ich frage sie, ob sie meine Nachricht bekommen hat, die ich ihr kurz vor meiner Abreise noch schnell aufs Bett gelegt habe, da niemand die Tür hinter mir abgeschlossen hatte, nachdem ich mitten in der Nacht gegangen war.
Sie nickt, und erklärt grinsend, dass sie im selben Hostel sein wird. Ich bin erleichtert, dass uns das die Chance auf ein Wiedersehen gibt.
Meine beiden Begleiter sind einfach weitergezogen und auch die andere Gruppe drängt vorwärts. Bevor sie um die nächste Kurve verschwindet, lächelt sie mir nochmal breit zu und winkt mir auf eine kokette Art. Ihre Augen glühen kurz, dann ist sie weg, von ihren Freunden verschleppt, hinter der grünen Blätterwand des Waldes verschwunden.
Ich drehe mich um und folge mit eiligen Schritten meinen Freunden, und hole sie schnell ein. Der Zusammenstoss hat nur wenige Minuten gedauert, aber meinen Tag gleich zu Beginn um ein vielfaches verbessert.

Das Puzzle-Fragment
Noch bevor ich sie sehen kann, erkenne ich die längst bekannten Stimmen. Ich kann es kaum glauben, dass sie mir schon wieder über den Weg läuft. Ich nehme meine Heissgetränk und die Banane von der Theke und drehe mich um.
Ich klopfe ihr auf die Schulter, und begrüße sie als meinen persönlichen Stalker, worüber wir kurz lachen. Ich weiß, dass sie mit diesen ganzen zufälligen Begegnungen ein wenig überfordert ist. Ich sehe zwar das Funkeln in ihren Augen, dass mir sagt, dass sie am liebsten über mich herfallen will, aber genauso einen strengen Zug um ihre Augen, der mir signalisiert, dass sie das ganz bestimmt nicht machen wird. Zu Schade.
Sie folgt mir an einen der vielen Tische hier, auf denen sich unzählige Puzzle und Rätselspiele verteilen. Ich nehme eines davon in die Hand, und sie meint, dass sie sowas schon gelöst hat. Nach kurzem Ausschlussverfahren versuchen wir uns an einem Holzstück, bei dem Scheiben umgeschichtet werden müssen.
Nach einigen Minuten erkennen wir, dass es sich eigentlich nur um das endlose Wiederholen eines Musters handelt, und unsere Handgriffe automatisieren sich. Laut Anleitung ist es möglich, das Rätsel in 255 Bewegungen zu lösen. Wir sprechen es zwar nicht aus, aber wir wissen beide, dass es wohl ziemlich eintönig und monoton sein wird, da wir das notwendige Muster längst durchschaut haben. Uns stört das nicht. Wir sitzen dich nebeneinander, großteils schweigend, abwechselnd eine der Holzscheiben verschiebend. Unsere Knie und Schenkel berühren sich lose unter der Tischplatte, und oberhalb ab und zu unsere Finger wenn wir nach den Puzzlestücken greifen. Wir genießen einfach nur die Anwesenheit des anderen.
Plötzlich klopft mir jemand auf die Schultern. Wir müssen los, der Bus wartet.
Ich streichle ihr kurz über den Kopf, während ich mich verabschiede. Wir wissen, dass wir uns am Abend wiedersehen werden. Sie muss das Puzzle zu Ende bringen, trage ich ihr auf, bevor ich mich durch die Tür des Puzzle-Café schiebe.

Das Ende-Fragment
Bevor ich die Lokalität wechsle, werfe ich nochmal einen Blick in die Bar, und tatsächlich ist sie mittlerweile mit ihren Freundinnen auf der Tanzfläche eingefallen. Ich beobachte sie erst eine Weile, wie sie sich in dem schwarzen, bunt gepunkteten Kleid zur Musik bewegt, und erst als sie mich sieht und wir Blickkontakt haben, gehe ich zu ihr rüber.
Ich merke es sofort an ihrer Körperhaltung, an der Art wie mich ihre Augen auf Distanz halten. Es ist so offensichtlich als ob sie ein Neonschild über ihrem Kopf blinken lassen würde. Es ist vorbei.
Da ich längst zuviel getrunken habe, weiß ich nicht, ob ich meine Mimik soweit unter Kontrolle habe, dass man mir die Enttäuschung nicht ansieht, aber eigentlich ist es mir egal. Sie weiß es ohnehin. Wir schauen uns ein paar Minuten schweigend an.
Ich hätte das selbe an ihrer Stelle getan, gestehe ich ihr, was sie zwar hinterfragt, aber ich muss es nicht wiederholen, damit sie es mir glaubt. Wir wussten beide, das es so kommt, ich hatte nur gehofft, dass wir mehr Zeit hätten.
Wir verstehen uns ohne Worte. So gern ich den Moment hinauszögern will, so ungern ich ihre Präsenz verlasse, weiß ich, dass es sein muss. Das ich gehen muss.
Ich frage sie, ob ich ihr einen Abschiedkuss geben darf doch sie meint, dass das nicht passieren wird. Mit einem traurigen Lächeln und einem bestätigenden Nicken drehe ich mich um und verlasse die Bar, nur um ein paar hundert Meter weiter in die nächste einzufallen.
Ein Teil von mir atmet erleichtert auf. In dem sie mich abserviert hat, muss ich mich nicht schlecht fühlen sie letztendlich doch noch verletzt zu haben.

- BM out -

Ich schiebe mich noch weiter ins Wasser, bis nur mehr meine Augen, Nase und Mund ueber die Oberflaeche ragen. Der kalten Luft moeglichst wenig Angriffsflaeche bieten, ist die Devise.
Der Spa-Pool ist warm, aber bei weitem nicht warm genug. Weit von den gewohnten 40 Grad entfernt. Ich friere unter Wasser, spuere eine Gaensehaut und kalte Schauer ueber meinen Koerper jagen. Ich versuche mich zu entspannen, das Kaeltegefuehl hinzunehmen und die Waerme des Wassers in mich aufzunehmen.
Am anderen Ende des Pools turtelt ein Paerchen, und ich bin wohl bedacht ihnen keine Aufmerksamkeit zu schenken. Wer weiss was die dort anstellen.
Uber mir funkelt der Nachthimmel, ich kann es weiterhin kaum glauben wieviele Sterne man sehen kann, wenn die Hintergrundstrahlung einer Grossstadt wegfaellt.
Mit den Ohren unterwasser, und den Augen direkt nach oben gerichtet, bemerke ich die 3 Neuankoemmlinge erst, als sie sich ins Wasser gleiten lassen. Ich muss mit meinen Gedanken irgendwo zwischen den fernen Sternen gewesen sein, denn diese drei Maedels schnattern und kichern ununterbrochen.
Sie sitzen ueber den Sprudelduesen, die bei mir nur das Kaeltegefuehl verstaerkt haben, und aus den wenigen Fragmenten, die ich aus ihrem Gespraech filtern konnte, unterhalten sie sich ueber einen Kerl der es einer oder zweien von ihnen offensichtlich angetan hat.
Das Paerchen am anderen Ende des Pools, dass sich schon durch meine stille, unauffaellige Anwesenheit gestoert gefuehlt hat, gibt die Turtelei nun scheinbar ganz auf, denn er klettert aus dem Pool und wickelt sich in ein Handtuch. Ich ueberlege mich ins andere Ende zu verziehen, sobald das Maedel dort auch aus dem Spa-Becken verschwunden ist.

Waehrenddessen schnattern die Maedels neben mir weiter, schmieden Plaene wie sie den suessen Brasilianer mit dem sie sich ein Zimmer teilen doch noch zur Unkeuschheit bringen koennen, und was sie abends in der Bar anziehen werden, um die Kerle dort zu beeindrucken. Mein Blick bleibt an die fernen Sterne geheftet, zu denen ich mich gerade wuensche, wo mir nicht viel kaelter waere, aber die Stille um ein vielfaches lauter, als es diese Maedels zusammenbringen.
Dann faellt ein Wort das meine Aufmerksamkeit aus den unendlichen Weiten zurueck hoflt, in das kleine, viel zu kuehle Becken. Die beiden Maedels rechts aussen, versuchen das Maedel am naehesten zu mir, von den Qualitaeten einer Kiwi-Bus-Ladung voller Kerle zu ueberzeugen.

Bevor ich wieder wegschauen kann, merken sie, dass ich ihnen zuhoere.
Mit einem dumpfen Oh-Oh stellt die Blondine rechts aussen fest, dass ich ihnen zuhoere. Die Bebrillte in der Mitte macht eine wegwerfende Handbewegung, da ich laechle waere es wohl kein Problem. Ich stelle erstaunt fest, dass ich tatsaechlich grinse. Mir war nicht bewusst, dass ich den Maedels so genau zugehoert hatte.
Wir stellen uns schnell vor, damit keine peinliche Stille entstehen kann. Als ich ihnen offenbare, einer der Kerle aus dem erwaehnten Kiwi-bus zu sein, wird die Blonde wenigstens einen hauch von rot.
Einzig die Bebrillte scheint keine sichtbare Schamgrenze zu haben. Obwohl ich daneben sitze, weisst sie die dunkelhaarige neben mir daraufh hin, dass sie mich ihr ueberlassen. Ich schaffe es trotz einiger Uberaschung ueber soviel Direktheit, den Kommentar mit einem Lachen zu quitieren. Ich halte das Ganze fuer ein ausgekluegeltes Spiel der Drei.

Irgendwann stelle ich fest, das die anderen gegangen sind, und ich seit einer Weile mit der dunkelhaarigen alleine im viel zu kuehlen Spa-Pool sitze. Aber ich habe auch laengst vergessen, dass mir eigentlich eiskalt ist. Dafuer war unsere Konversation viel zu spannend.

- BM out -

Sie knabbert am Strohhalm der in ihrer Smirnoff Ice-Flasche steckt, waehrend ich sie still fasziniert betrachte. Wir stehen dichter beinander als es die Bar erfordert, die mittlerweile ziemlich gut gefuellt ist.
Meine rechte Hand haengt einfach runter und beruehrt dabei wie zufaellg ihre Huefte. Sie sagt irgendwas, auf das ich eine nonkonformistische Antwort gebe. Sie grinst. Meine Hand rafft den Saum ihres Kleidchens ein wenig, so dass ich ihren Schenkel direkt beruheren kann. Keine Ahnung warum ich das mache, es scheint mir einfach logisch und richtig. In ihren Augen blitzt es kurz auf, dann entwindet sie sich mir und dreht sich um.

Sie geht jetzt auf ihr Zimmer, erklaert sie mir.
Ich versuche meine Stimme neutral zu halten, aber ich bin sicher, dass sie die Enttaeuschung hoeren kann, als ich antworte, dass es noch recht frueh ist. Vielleicht haette ich meine Haende doch eher bei mir lassen sollen...
Ich komme mit, meint sie.
Ich lehne mich an die Bar und schaue sie an, wie sie in ihrem schwarzen traegerlosen Kleid vor mir steht. Dabei hebe ich eine Augenbraue, um ihr meine Verwunderung ueber dieses Angebot klar zu machen.
Natuerlich komme ich mit, der Weg waere ziemlich dunkel, und ich wuerde ja wohl nicht wollen, dass ihr was passiert, ist ihre Erklaerung. Dabei schaut sie mich mit grossen, unschuldigen Augen an.
Ich bestaetige ihr, dass ich in dem Fall gar nicht anders kann, als sie zu ihrem Zimmer zu begleiten. Ganz Gentleman biete ich ihr meinen Arm an und oeffne ihr die Tuer.

Die Luft vor der Bar ist eisig und wir beeilen uns zu dem Gebaeude zu kommen, in dem ihr Zimmer liegt. Sie macht sich dabei darueber lustig, dass Frauen sich sowas antun, und macht dabei eine ausholende Geste, die ihre ganze Erscheinung einschliesst. Es ist wirklich viel zu kalt, um so wenig zu tragen, stimme ich ihr zu, obwohl ich mich den ganzen Abend ueber nicht an ihr satt sehen konnte.

Endlich kommen wir zu ihrer Zimmertuer, sie schliesst die Tuer auf, schiebt sie auf und mich hinein. Ich protestiere nicht.
Kaum dass sie die Tuer hinter sich geschlossen hat, faellt sie mir um den Hals und deckt mich mit wilden Kuessen ein. Ich umschlinge sie mit meinen Armen, druecke sie an mich, erwidere was ihre Lippen fordern.

Langsam wanken wir durch das dunkle Zimmer, stossen gegen Waeschehaufen, ein Stockbett, stolpern halb ueber einen Rucksack. Ich kralle mich in ihren Haaren fest, streichle ihren Kopf und ihren Ruecken. Nach einigen Minuten halten wir keuchend inne und schauen uns nur still in die Augen.
Sie fragt mich ob ich daran gedacht habe, dass das passieren wuerde, als wir uns im Pool kennen gelernt haben.
Nein, nicht im geringsten, schuettle ich meinen Kopf.
Sie glaubt mir nicht, also wiederhole ich meine Worte mit Nachdruck.
Sie haette an nichts anderes denken koennen, gibt sie zu. Die ganze Zeit seither, hat sie nur darauf gewartet.
Ich bin schwer erstaunt, dass sie so einen cleveren Eindruck bei mir hinterlassen konnte, wenn sie mit ihren Gedanken bei was ganz anderem war. Bevor ich noch etwas dazu sagen kann, schieben sich ihre Lippen schon wieder ueber die meinen.

- BM out -

Ploetzlich unterbricht sie sich selbst im eigenen Satz und springt vom Barhocker. Waehrend ich sie noch erstaunt anschaue, erklaert sie, dass das IHR Lied waere. Sie hat ein Lied, stelle ich erstaunt fest. Ich habe nicht mal wirklich mitbekommen, welche Songs in den letzten Minuten durch den Raum geschallt wurden. Es war jedenfalls zu laut und ich war zu sehr auf die Konversation mit ihr konzentriert.
Die ersten Takte spielen und sie wiegt sich schon zur Musik. Niemand sonst im Lokal tanzt, aber es scheint ihr dafuer auch keiner Beachtung zu schenken. Als die ersten Textzeilen aus den Lautsprechern purzeln, erkenne ich endlich welches Lied es ist und verstehe auch gleich warum sie ihn als ihren Song bezeichnet.
Sie singt lauthals mit und tanzt ausgelassen, ich wippe fleissig mit dem Fuss und rezitiere den Text lautlos mit.

Hey where did we go,
Days when the rains came
Down in the hollow,
Playin' a new game,

Ich steige von meinem Hocker und beginne auch zu tanzen, ihre losgeloeste Art steckt mich an. Ihre geschmeidigen Bewegungen, locken mich auf unsere inoffizielle Tanzflaeche.

Laughing and a running hey, hey
Skipping and a jumping
In the misty morning fog with
Our hearts a thumpin' and you

Gemeinsam groelen wir die Hauptzeilen des Liedes. Dabei mache ich ein paar Schritte auf sie zu, und sie grinst breit.

My brown eyed girl,
You my brown eyed girl.

Da ich den Text der zweiten Strophe nicht weiss, hoere ich auf mitzusingen, und konzentriere mich auf unseren Tanz. Langsam bewege ich mich naeher auf sie zu.
Whatever happened
To Tuesday and so slow
Going down the old mine
With a transistor radio

Uns trennen nur mehr wenige Zentimeter.

Standing in the sunlight laughing,
Hiding behind a rainbow's wall,
Slipping and sliding
All along the water fall, with you

Unsere Schenkel beruehren sich. Das ist das erste Mal, dass ich sie spuere, abseits einer zufaelligen Beruherung oder einem antippsen. Ich schiebe meinen Arm um ihren Ruecken und ziehe sie zu mir.
Ihre grossen dunklen Augen strahlen mich an und ihre Lippen schieben sich zu einem suessen Laecheln zusammen.

My brown eyed girl,
You my brown eyed girl.

Ich lehne mich zurueck und singe aus voller Kehle den Refrain. Sie schuettelt dabei ihren Kopf und ihre dunklen Locken peitschen wild um sie.

Do you remember when we used to sing,
Sha la la la la la la la la la la te da

Ich schiebe einen meiner Fuesse zwischen die ihren und beginne ein wenig in die Hocke zu gehen, waehrend sie mir ihren linken Arm auf die Schulter legt. Es wirkt als ob sie mich nach unten drueckt. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass sich mittlerweile einige Leute von der Bar umgedreht habe und uns zuschauen.
Ich hoere ihr kichern und merke wie diese Aufmerksamkeit sie nur anstachelt. Als ich mich wieder aufrichte, dreht sie sich um und drueckt sich an mich. Ich schlinge meinen rechten Arm um ihre Hueften, die sie unentwegt schwingt.

So hard to find my way,
Now that I'm all on my own.
I saw you just the other day,
My how you have grown,
Cast my memory back there, Lord
Sometime I'm overcome thinking 'bout
Making love in the green grass
Behind the stadium with you

Ich drehe sie zu mir um und halte sie fest an mich gedruckt. Sie legt mir die Arme um den Hals und wir lehnen uns Stirn an Stirn waehrend wir weiter tanzen. Ich schaue tief in ihre braunen Augen, die nun so nah sind und noch groesser wirken. Tiefe schlammige Pools in denen man versinkt und nie wieder herauskommt.

My brown eyed girl
You my brown eyed girl

Gemeinsam singen wir nochmal laut den Refrain, mittlerweile stimmen einige Leute in der Bar ein. Ein einziges lautkehliges la la la...

Do you remember when we used to sing
Sha la la la la la la la la la la te da.

Engumschlungen wiegen wir uns noch eine Weile im Takt zum Van Morrison-Song, obwohl laengst ein anderes Lied gespielt wird. Unsere Blicke genauso ineinander gewunden wie unsere Arme, die wir umeinander gewickelt haben. Ich sauge ihren Duft tief in mich ein, bevor wir zurueck zu unseren Barhockern gehen.

- BM out -

Als ich aufwache bin ich im ersten Moment kurz verwirrt, aber dann sind die Erinnerungen sofort wieder da. Ich habe keine Ahnung wie spaet es ist, und wielange ich geschlafen habe, aber der Raum um mich liegt in voelliger Dunkelheit.
Ihr Koerper schmiegt sich warm und weich an den meinen. Ich bleibe noch ein paar Momente liegen und geniesse ihre Naehe, sauge ihren Duft ein. Dann steige ich vorsichtig ueber sie drueber und klettere aus dem Bett.
Sie bewegt sich ein wenig, wacht aber nicht auf. Sie dreht ihren Kopf ein wenig und ihre dunkle Lockenpracht verteilt sich ueber dem Kopfpolster, wie Medusas Schlangen. Und es hat den selben Effekt auf mich, wie paralysiert bleibe ich stehen und blicke zu ihr runter. Ich bilde mir ein, ein Laecheln in ihren Mundwinkeln zu sehen.
Ich sinke auf die Knie und beginne den Boden nach meinen Klamotten abzusuchen. Zum Glueck liegt alles nahe beisammen, und so schluepfe ich in meine Hose und mein Shirt. Meine Socken finde ich in meinen Schuhen, was mich doch sehr wundert. Was fuer einen kuehlen Kopf ich manchmal bewahren kann...
Als ich mit dem Anziehen fertig bin, schaue ich nochmal zu ihr, wie sie tief schlafend in ihrem Bett liegt. Ich ueberlege sie zum Abschied zu kuessen, aber damit wuerde ich sie wohl nur wecken. Und dann wuerde sie wieder versuchen mich zum Bleiben zu ueberreden, und die anderen im Zimmer wecken, und es wuerde wieder ewig dauern bis ich mich aus ihren Armen befreien kann. Schweren Herzens und mit einem leisen Seufzen drehe ich mich um, schiebe den Vorhang zur Seite und die Tuer auf.

Eisig kalte Nachtluft empfaengt mich und umhuellt mich. Ich schiebe die Tuer hinter mir schnell wieder zu und nehme ein paar tiefe Atemzuege, fuelle meine Lungen mit der frischen Luft. Der Himmel ueber mir ist klar und die Sterne funkeln still um die Wette. Ausser mir duerfte niemand wach sein. Meine innere Uhr, die mittlerweile auch wach ist, sagt mir, dass es wohl zwischen 3 und 4 Uhr frueh ist.
Zum Glueck leuchten hier ein paar Laternen zwischen den Gebaeuden und ich kann stolperfrei den Weg in mein Zimmer antreten.

Ich schaffe es irgendwie in mein Zimmer zu kommen, ohne jemanden aufzuwecken. Schaffe es in mein Bett zu klettern und mich unter die kalte Decke zu kuscheln. Die kurze Zeit an der frischen Luft hat es nicht geschafft mir die Nestwaerme voellig zu rauben. So liege ich also in meinem Bett und spuere noch ein wenig den Druck ihres Rueckens auf meiner Brust und kann sie ein wenig auf meinen Lippen schmecken. Bevor es mir bewusst wird, bin ich bereits eingeschlafen.

- BM out -

 

twoday.net AGB

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