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Jakob marschierte den Gang wieder hinunter Richtung Lift, und blieb an der nächsten Wohnung stehen. Miranda McNamara, die einzige Zeugin. Er warf einen prüfenden Blick auf sein Handgelenk und klopfte. Kurz darauf öffnete ihm eine attraktive dunkelhaarige Frau, zu Jays Erleichterung war sie bereits vollständig bekleidet.
"Ja bitte?"
"Entschuldigen Sie die Störung, mein Name ist Jakob Lauroto und ich hätte ein paar Fragen zu dem Vorfall letzte Nacht in der Nebenwohnung."
"Sind sie von der Polizei? Ich habe Ihren Kollegen doch schon alles mehrfach erzählt."
Jay schüttelte den Kopf. Bevor er zu einer Antwort ansetzen konnte, sprach die Frau jedoch schon weiter.
"Sie sehen nicht wie jemand von der Presse aus..."
"Ich komme von einer Privatdetektei, die Liebermans waren Kunden. Ich habe daher eher ein persönliches Interesse, wenn Sie es so ausdrücken möchten.", unterbrach er sie gleich.
Sie zögerte einen Moment und lies ihn dann eintreten. Die Wohnung schien dem selben Grundplan zu folgen, wie die der Liebermans, war ebenfalls gut eingerichtet, wenn auch nicht ganz so exquisit. Jakob folgte ihr in das Wohnzimmer, das allein fast so groß war, wie seine gesamte Wohnung.
Die Frau schätzte er auf Mitte bis Ende 30, aber wenn sie 5 Jahre jünger sein sollte als er dachte, würde ihn das auch nicht wundern.

Nachdem er das Angebot auf etwas zu trinken abgelehnt hatte, und die beiden auf der ledernen Couch platz genommen hatten, lies Jay erst gar keine peinliche Stille aufkommen. "Ich kann mir vorstellen, dass das für Sie ziemlich anstrengend sein muss, aber ich würde Sie bitten, mir zu erzählen, was da letzte Nacht passiert ist."
Sie seufzte tief und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. Es klang tatsächlich so, als hätte sie das ganze schon 100 Mal rezitiert. "Es war gegen Mitternacht, ich hatte gerade den Fernseher ausgemacht und wollte zu Bett gehen, als ich den Krach aus der Nebenwohnung hörte. Normalerweise hört man hier nichts durch die Wände, und da es wie ein Ehestreit klang, wollte ich auch gar nichts davon mitbekommen."
Jay fragte sich, ob Mrs McNamara nicht viel eher ganz spitze Ohren bekommen hatte, als sie mitbekommen hatte, was sich nebenan abspielte. Neugier und Voyeurismus waren doch schon fast Tugenden der aktuellen Gesellschaft. Er konnte seinen Gedanken jedoch nicht weiterverfolgen, um den Faden bei ihrer Erzählung nicht zu verlieren.
"Ich hatte schon mitbekommen, dass da ein zweiter Kerl anwesend sein musste. Die Frau hatte geschrien, es wäre nicht dass was es aussieht, und er hatte ihr Vorhaltungen gemacht, dass er das alles nur für sie tue und so. Sie kennen das ja. Dann schrie der Mann wieder, dass er den anderen fertig machen würde und dann fiel der Schuss. Daraufhin fing die Frau zu kreischen und zu schreien an, und ich griff zum Telefon um den Notruf zu verständigen. Dann fiel der zweite Schuss."
Jay saß schweigend und nickend da, beobachtete wie Mrs McNamara mit in die ferne schweifenden Blick von dem Doppelmord erzählte. Sie schien zumindest nicht geschockt oder direkt davon beeinflusst zu sein.
"Misses McNamara, kannten sie die Liebermans?"
"Es ist Miss McNamara, ich bin geschieden.", dabei strich sie sich das Haar von den Schulten und Jay hatte das Gefühl, als würde sie ihn kurz mit einem taxierenden Blick streifen. Sie schien davon selbst gar nichts zu merken. "Nein, eigentlich kannte ich sie gar nicht. Ich wohne erst seit kurzem hier. Habe die beiden nur einmal getroffen, als ich mich als neue Nachbarin vorstellte." Es schien ihr gar nicht recht zu sein, plötzlich über sich selbst zu sprechen.
"Die Polizei erzählte mir, dass sie auch den Mörder erkennen konnten."
"Ja, ich weiß nicht warum, aber gleich nachdem ich den Notruf verständigt hatte, bin ich bin zur Tür gegangen und habe sie einen Spalt geöffnet. Ich dachte, ich könnte die Polizisten warnen, wenn der Mörder noch in der Wohnung gewesen wäre. Wenn ich jetzt drüber nachdenke, wird mir erst bewusst wie schwachsinnig es war. Wenn er mich gesehen hätte...", sie verstummte für einen Moment.
"... aber das hat er nicht.", stubste Jay ihren Redefluss wieder an.
"Nein, er kam aus der Wohnung und ging mit großen Schritten zum Lift. Als er an mir vorbei kam konnte ich ihn erkennen und so der Polizei beschreiben."
"Würden Sie ihn mir mal bitte beschreiben?"
"Hm, etwa 180 groß, kurze dunkelblonde Haare. Blaue Augen, gerade, kurze Nase. Kein Bart, ein rundes Kinn..." Jay erkannte darin sofort die Erscheinung von Rick. Natürlich liefen in einer Millionenstadt noch ein paar andere rum, die dem entsprochen hätten, aber auf den ersten Blick war er es.
"Er fährt einen roten GMC, das Kennzeichen beginnt mit PEI.", schloß die Zeugin ihren Bericht.
"Moment mal. Sie konnten seinen Wagen sehen?"
"Ja, als er aus dem Gang verschwunden war, lief ich zum Fenster hier. Ich sah ihn gerade aus der Tür kommen, in seinen Wagen steigen und davon fahren."
Jay stand von der Couch auf und blickte durch das Fenster, hinunter auf die Straße. Er befand sich im sechsten Stock und konnte in der einen Richtung bis zum Central Park und in der anderen fast bis zum Westend sehen. Schräg gegenüber befand sich eine der vielen Parkgaragen der Stadt und daneben ein Getränkeladen, die Strasse war von geparkten Autos gesäumt. Wenig Verkehr, wenig Passanten auf den Strassen. Eine hübsche Gegend. Eine teure Gegend.
"Wo genau war der Wagen geparkt?", bat er Ms McNamara zu sich ans Fenster.
Als sie direkt neben ihm am Fenster stand, konnte er den Duft ihrer frischgewaschenen Haare riechen. Jay lenkte all seine Konzentration zurück auf seine Ermittlungen.
"Dort vorne, wo jetzt der blaue SUV steht.", sie deutete auf die gegenüberliegende Strassenseite, fast direkt vor dem Hauseingang. Jay fragte sich, ob unwahrscheinliches Glück bei der Parkplatzsuche als Gegenargument in einem Mordfall greifen würde. Wahrscheinlich nicht.
Er drehte sich zu Miranda McNamara um und sah ihr in genau in die Augen. "Sie haben von hier aus das Kennzeichen erkennen können?"
"Nunja, nur die ersten paar Buchstaben..."
Jakob warf noch einen Blick aus dem Fenster. Ihre Augen mussten genauso gut sehen, wie sie aussahen...

Als Jakob das Wohnhaus verlies und auf seinen Wagen zu marschierte, warf er einen Blick über die Schulter, hinauf zu dem Fenster, von dem er selbst erst wenige Minuten zuvor hinunter geschaut hatte. Ob Miranda McNamara dort oben stand und zu ihm runterschaute konnte er nicht feststellen. Ob sie nun versuchen würde, sein Kennzeichen zu entziffern?
Im Wagen sitzend zückte er seinen Notizblock und begann sich ein paar Notizen zu machen. Er musste jetzt noch schnell beim Pathologen vorbei schauen und nochmal ins Büro. Er fühlte ein zufriedenes, emsiges Brummen in seinem Brustkorb. In diesem Moment fühlte er sich, wie einer der großartigen Ermittler einer Fernseh-Serie.
 

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