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Rick war bereits in der typisch orangenen Gefängniskluft gekleidet, als man ihn in das Besprechungszimmer führte, in dem Jakob bereits wartete. Jay hatte kurz zuvor mit Mr. Gillen, Ricks Anwalt, gesprochen, und auch dieser sah die Chancen gering, allein weil die erste Vorverhandlung bereits für den nächsten Vormittag angesetzt war. Selbst ohne ein Geständnis von Rick wäre bei der vorliegenden Beweislast wenig zu machen, hatte dieser gemeint.
Der Raum war eher klein, und spartanisch eingerichtet, wurde eigentlich für die Besprechungen zwischen den Gefangenen und ihren Anwälten genutzt. Für normale Besucher gab es eigentlich einen anderen Raum, aber Jay hatte einen Gefallen einfordern können, um diese privatere Unterhaltungsumgebung zu ermöglichen.

Rick lies sich mit hängenden Schultern auf den Sessel fallen. Es schien fast so, als hätten sein Ego und das für ihn übliche Selbstvertrauen sich nicht in den orangenen Overall zwängen lassen wollen und ihren bisherigen Besitzer verlassen. Der Begriff des 'Häufchen Elend' kam Jay in den Sinn.
"Hey Jay."
"Hey Rick. Wie gehts Dir?"
"Danke, beschissen. Und selbst?"
"Müde. War ein anstrengender Tag..."
Rick richtete sich für einen Moment auf, ein Funken Hoffnung glomm in seinen Augen. "Hast Du was rausgefunden?"
"Ja, einiges sogar." Er machte eine kurze Pause. "Ich glaube, dass Du nicht der Mörder bist. Ich glaube sogar zu wissen wer es war."
Sein Gegenüber bekam große Augen. "Tatsächlich? Hast Du es schon Gillen erzählt? Ihr müsst das erst besprechen, bevor Du es den Cops sagst."
Jay schüttelte langsam den Kopf, "Nein, ich wollte erst mit Dir drüber reden. Es ist eine ...gewagte Theorie."
Richard lies sich zurück sinken und schaute ihn erwartungsvoll an.
"Also, ich habe mich dafür echt ins Zeug gelegt. Hab viel überprüft, in alten Akten gekramt, ein paar Sachen waren tote Enden, aber ich hab dann was entdeckt, dass zwar nach eine abgedrehten Story klingt, aber Sinn macht.
Fangen wir ganz vorne an: sagt Dir der Name Faulkner etwas? Matt Faulkner?"
Die Augen von Rick blickten kurz nach oben als er sein Gedächtnis konsultierte. "Ja, war das nicht ein Klient von uns? Muss zwei, drei Jahre her sein."
"Genau, Matt Faulkner kam im Februar 2004 bei uns ins Büro, er wollte dass wir seine Frau überprüften. Er dachte sie würde Gelder veruntreuen. Wir konnten aber keine Beweise dafür finden."
Rick nickte schweigend, er konnte sich wieder daran erinnern. War ein recht langwieriger Auftrag gewesen, da Mister Faulkner mit den ersten Ergebnissen nicht zufrieden war.
"Kannst Du Dich an seine Frau erinnern?"
Rick wusste in welche Richtung das gehen würde. "Oh Mann, nein. Das ist zu lange her. Aber wenn ich was mit ihr am Laufen gehabt hätte, könnte ich mich erinnern."
"Stimmt. Du hattest keine Affäre mit ihr, was mich selbst ein wenig verwundert hat. Hat meine erste Theorie gleich mal komplett über Bord geworfen. Aber du hattest trotzdem Kontakt mit ihr.", Jay zog ein Foto aus dem Umschlag, den er vor sich liegen hatte, und legte es vor Rick hin.
Rick erinnerte sich wieder. Sie war eine attraktive Frau gewesen, aber er hatte gleich gespürt, dass sie nicht auf ein außereheliches Abenteuer aus war, und es erst gar nicht bei ihr probiert. Je länger er an den Fall dachte an umso mehr Details konnte er sich erinnern, aber was das mit seiner aktuellen Situation zu tun hatte, wollte ihm dennoch nicht klar werden.
"Okay, und was hat das mit dem Mord an den Liebermans zu tun?", fragte er ungeduldig.
"Eins nach dem anderen. Matt Faulkner misstraute seine Frau trotz allem, er heuerte sogar die Jungs von 'Investigate 24/7' an, die aber ebenfalls zu keinem Ergebnis kamen. Nach ein paar weiteren Monaten der Bespitzelung und des Misstrauens lies er sich Ende 2004 von seiner Frau scheiden.", Jay tippte auf das Foto, das vor Rick lag, "Sie nahm wieder ihren Mädchennamen an: McNamara."
Rick nickte ungeduldig, "Und weiter?"
"Miranda McNamara war die Nachbarin der Liebermans, die einzige Zeugin."
Die beiden starrten sich einige Minuten schweigend an.

"Du glaubst, dass Faulkners Ex mir den Mord anhängen will, weil ihr Mann sich hat scheiden lassen, nachdem wir sie ergebnislos überprüft hatten?", mit dem Unglauben in Ricks Stimme hätte man ganze Kathedralen ausmalen können, "Ohja, das ist mal eine gewagte Theorie. Hurra, ich bin frei!", fügte er sarkastisch hinzu.
"Ich habe auch nicht behauptet, dass ich dir hier eine bombenfeste Strategie präsentiere, die Dich aus dem Knast befreit. Ich bin außerdem noch nicht fertig."
"Oho, du hast noch mehr?"
"Halt die Klappe und hör zu." Jay holte tief Luft bevor er wieder zu einer Ausführung ansetzte, "Also, bei dem Gespräch mit Ms McNamara sind mir einfach ein paar Ungereimtheiten aufgefallen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie auch nur irgendwas aus der Nachbarwohnung gehört haben konnte. Die Wände sind ziemlich dick, und wenn der Lärm so groß ist, dass sie es hören konnte, hätten es auch andere Leute hören müssen, und das war nicht der Fall. Außerdem konnte ich mir nicht erklären, wie sie das Gesicht des flüchtenden Mörders identifizieren hätte können, wenn sie nur bei einem Spalt aus der Tür geschaut hatte. Da hätte sie nur den Rücken, bestenfalls das Profil erkennen können, wenn jemand den Flur Richtung Lift geht. Deswegen habe ich nachgeforscht, und bin auf ihre Hintergrundgeschichte gestossen. Es mag nicht viel sein, aber es hat mir gezeigt, dass hier was nicht passt. Und das war es mir dann Wert noch etwas anderes zu überprüfen, das mir seltsam vorgekommen ist, das genauso unwahrscheinlich war."
Rick saß weiterhin schweigend da. Er konnte nicht glauben, dass diese haarsträubende Theorie wahr war.

"Ich war außerdem im Leichenschauhaus. Witzigerweise wollte ich mich eigentlich wegen etwas anderem versichern, das mir seltsam vorgekommen ist. Als mir Valentine die Fotos vom Tatort gezeigt hatte, trug die Leiche die Armbanduhr am rechten Handgelenk. Auf den Fotos, die ich im Schlafzimmer der Liebermans gesehen habe, war sie aber immer am linken Handgelenk. Also bin ich in die Pathologie, und hab dort mal vorsichtig gefragt, und dort haben sie mir dann an Hand ihrer Unterlagen gezeigt, dass ich mich geirrt hatte. Die Uhr war natürlich am linken Handgelenk gewesen ... kurz davor bin ich mir vorgekommen wie ein Typ aus einem Fernsehkrimi, der auf etwas großartiges draufgekommen ist, das die anderen übersehen hatten.", Jay seufzte in Erinnerung an diesen tragenden Moment, "Trotzdem hab ich die Jungs gebeten mich mal einen Blick auf die Leiche werfen zu lassen. Das hat mich 'nen Franklin gekostet, aber das war es mir wert."
Jakob gab Rick einen Moment um den Einsatz einer 100-Dollar-Bestechung zu kommentieren, dieser saß jedoch nur schweigend und mit skeptischem Blick auf seinem Sessel.
"Nunja, also aus irgendwelchen Gründen wollte ich trotzdem an meiner Theorie festhalten, also habe ich nach einem Hinweis gesucht, der das bestätigt. Von Liebermans Gesicht war nicht mehr viel übrig, da ihm mit einer großkalibrigen Waffe ins Gesicht geschossen worden war.... ein grausiger Anblick. Als ich mir dann die Hände angeschaut hatte, ist mir aber etwas anderes aufgefallen. Die Leiche hatte laut den Unterlagen der Pathologen zwar den Ehering getragen, aber da war keine Druckstelle. Ich meine, nachdem ich meinen Ring aufgehört hatte zu tragen, hat es Wochen gedauert, bis ich die Stelle nicht mehr spüren konnte, wenn ich drüber gefahren bin. Und die Leiche hatte diese Rillen nicht."
Rick schaute ihn fragend an, langsam bekam er das Gefühl, das Jakob ihn irgendwie aufziehen wollte. "Du glaubst also...?"
"Genau, das der Tote gar nicht Steven Lieberman ist, sondern irgendein anderer, der die selbe Statur hat. Das Gesicht ist nicht mehr zu erkennen, Zahnmedizinischer Vergleich ist auch nicht möglich. Wahrscheinlich steckt er mit Miranda McNamara unter einer Decke."
"Das kannst Du doch gar nicht beweisen, das ist doch paranoider Bullshit! Hör mal, keiner will lieber als ich, dass der Mörder gefunden wird, aber das glaubt doch keiner. Vielleicht war Liebermans Ring einfach nicht so eng, oder er trug ihn nicht so oft. Die Identität seiner Leiche wurde doch bestimmt anhand der Fingerabdrücke überprüft!"
"Wenn er in einer Datenbank war oder sie welche in der Wohnung gefunden haben. Abgesehen davon, können sie die auch irgendwie gefälscht haben."
"Ach, und das willst Du dem Richter erklären?"
"Nein.", gab Jay trocken zurück.

Rick starrte ihn an. Sein Blut schoß gerade mit Hochdruck durch seinen Kreislauf, weil er sich so aufgeregt hatte und das Adrenalin wurde vom Gewebe aufgenommen. Und nun war er nur mehr verwirrt. "Wie, Nein?"
"Nun, ich habe nicht vor, irgendjemandem davon zu erzählen. Außer Dir jetzt natürlich."
"Äh, und wozu dann das Ganze? Hast Du Dir das alles bloß ausgedacht?"
"Nein. Das ist mein Ernst. Ich glaube tatsächlich, dass sich das so oder ähnlich zugetragen hat.... auch wenn es wie aus einem schlechten Film klingt. Mir ging es eigentlich nur darum, mir selbst zu beweisen, das einer meiner ältesten Freunde kein Mörder ist."
"Aha.", in Ricks Gesicht war nur mehr Verwirrung und Verwunderung zu lesen.
Jakob stand auf und begann auf und ab zu gehen. Er suchte offenbar nach den richtigen Worten, oder vielleicht auch nur nach dem richtigen Anfang.
"Weißt Du, als Jordan vor 6 Jahren gestorben ist, wollte ich am liebsten das alles hinschmeissen. Die Detektei und die Stadt verlassen. Ich dachte mir, ich könnte mir vielleicht in Albany ein kleines Haus kaufen. Als Kind war ich mit meinen Eltern ein paar mal in der Gegend, der Hudson hat dort eine ganz andere Farbe als hier unten. Keine Ahnung was ich dort arbeiten könnte, aber eigentlich mach ich mir da keine wirklichen Sorgen. Verstehst Du, es wäre mal was ganz anderes. Aber dann, habe ich es mir anders überlegt, Jordan hatte die Detektei gehasst, aber ich habe Jordan geliebt, es kam mir einfach falsch vor, dann auch gleich die Firma zu verlieren."
Offensichtlich hatte Rick weiterhin keine Ahnung in welche Richtung das führen würde. Er saß mit versteinertem Gesicht da und folge Jays Ausführungen schweigend. Sein Gefühl sagte ihm jedoch, dass es unwahrscheinlich war, dass die Geschichte noch die erhoffte, plötzliche Wendung zum Guten für ihn bereit halten würde.
Jay blieb plötzlich abrupt stehen und fixierte Cavaleras Blick, "Ich wusste von eurer Affäre. Irgendwann wusste ich es einfach, ich musste nicht spionieren, jemandem folgen und so. Ich wusste es einfach. Und ich wusste auch, dass ich es wohl verdient hatte, weil ich ihr nicht die nötige Aufmerksamkeit schenkte und zu egoistisch war und so. Aber ich dachte, ich könnte sie zurück gewinnen."
"Ach du Scheiße. Jay, hör mal. Das ist so lange her und es war falsch. Aber du kannst mich deswegen jetzt nicht hängen lassen! Wir sind Freunde!"
"Sind wir das?", Jay zuckte lustlos mit den Schultern, "Weißt du, ich wollte Jordan zurück gewinnen, ich wollte mich wirklich ins Zeug legen. Also sind wir übers Wochenende rausgefahren, haben uns in einem kleinen Hotel ein Zimmer genommen, Spaziergänge, romantisches Abendessen. Und am Weg zurück in die Stadt - BAMM - rammt und der verdammte LKW.
Jordan war bewusstlos, und ich habe sie im Arm gehalten und gewartet das der Krankenwagen kommt. Und dann wurde sie kurz wach, und ich wusste, dass es zum letzten Mal sein würde, und ich habe ihr gesagt, wieviel sie mir bedeutet, und dass ich gerne mehr solcher Wochenenden mit ihr verbringen würde. Ihr Blick war glasig und ging durch mich durch, und weißt Du was ihre letzten Worte waren? 'Ich liebe Dich, Rick.' ... Nein, ich lass Dich nicht für eine Affäre hängen. Ich lass Dich dafür hängen, dass Du sie mir weggenommen hast."
Rick saß regungslos da.
Jay ließ sich wieder in den Sessel fallen. Als ob ihn die Energie, die ihn angetrieben hatte, plötzlich verlassen hatte.
Schweigen breitete sich im Raum aus.
Rick zerbrach die Stille mit brüchiger Stimme, "Du lässt mich in den Bau gehen, obwohl Du weißt das ich unschuldig bin und der Mörder irgendwo da draußen ist?"
"Mhm." Jay warf einen Blick auf seine Armbanduhr., "Ich muss dann los."
"Und wenn ich dich als Zeuge aufrufe? Und du von Deinen Ermittlungen berichtest? Es mag nicht viel sein, und schwer zu beweisen, aber es ist etwas..."
"Weil es mich daran hindert zu sagen, dass ich keine Ahnung habe wovon Du redest, nur weil meine Hand eine Bibel berührt?", Jakob war seinem Kollegen ein mittleidiges Lächeln zu.
"Es tut mir leid, Jay."
"Ja, mir tut es auch leid. Bis dann."

Als Jay das Gebäude verlies konnte er spüren, wie es ihm mit jedem Schritt leichter fiel weiterzugehen. Bald hatte er sein schlechtes Gewissen komplett hinter sich gelassen.
morphetetis hat am 11. Okt, 16:06 ein Lebenszeichen gegeben
wow, dieses Ende hätt ich nicht erwartet. Das mit der Nachbarin war ja klar ;) Und wärs damit aus gewesen, wärs halt eine weitere Krimigeschichte, aber das Ende hebt die Geschichte irgendwie ab.. Gut geschrieben... (muss jetzt los zu Ikea - aber die paar Minuten über 4 wars mit wert *g*) 
 

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