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Es gibt tatsächlich so etwas wie selektive Wahrnehmung. Das heißt, unsere Sinnesorgane nehmen alles mögliche auf, aber was wir davon wirklich bewusst mitbekommen, wird vorher sorgfältig ausgefiltert. Und dann passiert es uns, das wir plötzlich die sonderbarsten Dinge zufällig wahrnehmen, und freuen und wundern uns, weil uns nicht klar ist, dass unser Unterbewusstsein bereits ausgemustert hat. Ein besonders auffälliger Kilometerstand beim Auto, die zehnte Person hintereinander mit einem roten Hemd am selben Tag, Frauen mit Kinderwagen - nur wenn es gerade für uns von Bedeutung ist, merken wir solche Dinge, ansonsten würden sie wie üblich selektiert und würden uns gar nicht bewusst. Wahrscheinlich gut so, sonst würden wir unter all den Eindrücken zusammen brechen. Das ist wirklich so, ich hab da mal ein Buch drüber gelesen.

Ich wusste also, dass es kein Zufall war, sondern wahrscheinlich nur meine selektive Wahrnehmung. Aber als ich die Tageszeitung durchblätterte und plötzlich den Artikel sah, hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass ich mal wieder Glück hatte. Als ob mir die Welt auf die Schultern klopfen und "Siehst Du, es gibt immer einen Weg!" sagen wollte. Meine Sammlung war gerettet.

Es war ein kleiner Artikel, mit einem vergleichsweise großen Bild, über eine Vereinsmeisterschaft im Schlösser knacken. Deutsche Teams gegen Österreicher. Und wie ich weiters lesen durfte, ist das so genannte Lockpicking eine anerkannte Sportart. Das es dabei nur auf eine gewisse Fingerfertigkeit ankommt, und das es jeder lernen könne. Und weil es offensichtlich ein Füller-Artikel war, und sich der Autor nicht viel Mühe machen wollte, war die Internet-Adresse des österreichischen Vereins auch gleich drunter angegeben. Es versteht sich von selbst, womit ich dann den restlichen Tag verbracht habe.

Zu meinem großen Erstaunen, war meine erste Annahme, dass es eben nicht so leicht sein konnte, wie in den Filmen immer dargestellt wurde, ziemlich falsch. Gut, so leicht, war es wohl wirklich nicht. Und es erforderte eine Menge Übung. Aber wie ich auch auf der Vereinsseite nachlesen konnte: jeder konnte es lernen. Natürlich war dem Verein wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich hier um ein rein sportliches Interesse handelt, man seine Fähigkeiten für das Gute einsetzen würde, und sowieso keine fremden Schlösser anfassen würde.
Ich hatte bereits meine beste Freundin angelogen, ich würde keine Probleme damit haben, es einer wildfremden Gruppe von Schlossknackern entsprechend zu verklickern.

Zuerst begann ich damit, alles was ich im Internet zu dieser Materie finden konnte, zu lesen. Da gab es schon einiges. Bald hatte ich meinen Kopf nur mehr voll mit Begriffen wie Picks, Pins und Springs, Friction und raken und setzen. Ich war mehr als bloß begeistert. Offensichtlich gab es bei den so beliebten Zylinderschlössern den Fehler, dass sie nicht komplett genau waren, und wenn man es unter eine gewisse Spannung setzte, konnte man - das richtige Werkzeug vorausgesetzt - die Sicherungsstifte so setzen, dass es dem Schloss vorkam, man hätte den richtigen Schlüssel dabei. Und Profis brauchten für sowas vielleicht 30 Sekunden.

Meine Feinmotorik und mein Fingerspitzengefühl schätzte ich selbst als ziemlich gut ein, und was die notwendige Geduld anging, um dieses Handwerk zu lernen, war ich mir sicher, dass ich auch die Nerven aufbringen würde. Ich hatte schließlich ein Ziel vor Augen, eine Sammlung zu erweitern. Ja, für diese Sammlung, das wusste ich genau, würde ich einiges auf mich nehmen. Nachdem ich den halben Tag mit Recherche verbracht hatte, war es an der Zeit das Ganze auch praktisch anzupacken. Also nahm ich mit dem Verein Kontakt auf, und erzählte ihnen, dass ich davon in der Zeitung gelesen hatte, und gerne mehr erfahren würde. Sie waren sehr erfreut.

- BM out -
 

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