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Mir war zwar immer noch nicht klar, was es genau gewesen war, dass Clemens zu so etwas besonderem gemacht hatte, dass er mir zu meinem Hobby verholfen hatte, aber ich begann mich wieder auf die Lauer zu legen. Ich stellte mich darauf ein, dass es wieder einige Tage dauern würde, bis mir jemand über den Weg lief, der dieses 'je ne sais quoi' hatte.

Entweder hatte ich Glück, oder ich war wirklich gut in meinem Hobby, denn noch am selben Tag, an dem ich wieder losgezogen war, fand ich sie. Es fällt mir heute noch schwer, zu sagen, woran es lag, bei ihr und all den anderen. Doch in gewisser Weise, stand sie aus der Masse heraus. Als ob ein grelles Neonschild über ihr Hing mit der wildblinkenden Aufschrift "Ich hab es." Ich zweifelte jedoch keine Sekunde an diesem Gefühl, also sprach ich sie an, als sie an mir vorbei ging.

"Hallo, Entschuldigung, haben Sie einen Moment Zeit?"

Sie war etwa Ende 40, Anfang 50 und trug einen dunkelblauen Rock mit passendem Blazer. Sie taxierte mich mit einem kurzen Blick, entspannte sich aber, als sie feststellte, dass ich offensichtlich nicht auf eine Unterschrift oder schlimmer noch einer Spende für die Umwelt aus war. Auch das Fehlen eines Obdachlosen-Magazins in meinen Händen dürfte zu ihrer positiven Gesinnung beigetragen haben. Ich hatte schon den halben Tag durchgekaut, wie ich so ein Gespräch eröffnen könnte, wie ich versuchen könnte, mein Ansuchen seriös rüber zu bringen.

Ich nannte ihr meinen Namen, und bot ihr an, sie auf einen Kaffee einzuladen, damit ich mich mit ihr Ruhe unterhalten konnte. Offensichtlich dachte sie ich hätte einen ...Hintergedanken. Was ihr zwar zu schmeicheln schien, zumal ich doch ein ordentliches Stück jünger war als sie, aber sie lehnte sofort ab.

"Ich weiß, das klingt jetzt seltsam, und ich hoffe sie missverstehen mich nicht - aber ich würde gerne ihre Wohnung fotografieren."

Ihre Augen weiteten sich entsetzt. "Perverser!", gab sie schrill zurück und ging sofort weiter. Gut, sie hatte mich also doch missverstanden, und so beschloss ich, es mit etwas weniger Offenheit und Direktheit zu probieren. Zweifel an meiner Wahl hatte ich jedoch nicht ...tief in mir drin ich wusste, das ihre Wohnung gut zu meiner Sammlung gepasst hätte.

Es dauerte einige Anläufe, bis ich es endlich schaffte, jemanden davon zu überzeugen, dass ich kein gefährlicher Triebtäter war und auch sonst nicht irgendwie seltsam veranlagt. Ein Satz Visitenkarten, der meinen Namen und Telefonnummer mit der zugegebenermassen sehr gerissen gewählten Bezeichnung "Lifestyle-Photograph" in Verbindung brachte, wirkte da Wunder. Ich bot den Leuten ein Honorar von 200 Euro, wenn sie mich in ihre Wohnung lassen würden, damit ich diese fotografieren konnte. Die Bedingung, dass es sofort war, damit die Wohnung nicht extra aufgeräumt oder verändert werden konnte, lies dann doch einige einen erschrockenen Rückzieher machen.

So konnte ich innerhalb von etwas mehr als 2 Wochen drei weitere Alben anlegen.
Heike, eine 22-jährige deutsche Studentin, die in einer 2-Personen WG wohnte. Das Zimmer, das ihr gehörte, war recht klein und absolut überladen. Sie hatte haufenweise Krimskrams auf Borden und Regalen stehen, aber das Zimmer war, wie auch die restliche Wohnung die ich besichtigte tipptopp aufgeräumt. Das Zimmer des Mitbewohners lies ich außen vor da es ihm an dem fehlte, was ich wohl suchte.
Harald, war 57 und Frühpensionist nachdem ihm die Post ein tolles Abfertigungspaket geschnürt hatte. Wir haben uns im Votivpark kennen gelernt. Er wohnte mit seiner Frau in einer geräumigen Altbauwohnung, die in ziemlich dunklen Farben eingerichtet war. Seine Frau hatte eine Sammlung von orthodoxen Heiligenikonen, die das gesamte Wohnzimmer in Beschlag nahm. Sie war aber eine wirklich nette Frau, die darauf bestand, dass ich zum Essen blieb, wo ich doch so schwer arbeiten musste.
Elisabeth war Mitte 30, auf ein genaues Alter konnten wir uns nicht einigen. Alleinerziehend, Vollzeitjob, Teenager-Sohn. Die Wohnung war das reinste Schlachtfeld. Ich gehe davon aus, das viele Leute, die einen Rückzieher gemacht haben, eine ähnliche Wohnung hätten vorweisen können. Aber die Aussicht auf 200 Euro und eine gewisse Anonymität, schliesslich fotografierte ich die Bewohner nie, sondern nur deren Wohnungen, schienen die Schamgrenze komplett aufzuheben.
 

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