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Am nächsten Morgen saß ich bereits in meinem Auto, gegenüber seiner Haustür geparkt, als Clemens das Haus verließ. Wieder im Anzug am Weg in die Arbeit. Kaum das er um die Ecke war, schnappte ich meine Sporttasche und ging zur Haustür. Es dauerte ein wenig, bis mich einer der Klingelversuche an der Gegensprechanlage zu einer älteren Dame brachte, die zwar nicht verstand was ich behauptete zu sein, aber dennoch die Tür öffnete. Clemens Wohnungstür hatte ich längst herausgefunden.

Zugegeben es war nicht wirklich gut durchdacht, aber wenn ich mal auf etwas fokussiert bin, vergesse ich manchmal einfach alles Drumherum und die Konsequenzen. Aber zu dem Zeitpunkt schien es mir tatsächlich der vernünftigste ..oder zumindest schnellste und einfachste Weg in Clemens Wohnung zu sein, wenn ich vor meinem "Besuch" noch schnell einen Abstecher in den Baumarkt mache. Und so stand ich nun also am Gang eines Altbau, vor der Tür eines Mannes den ich am Vortag beim Kaffee trinken kennen gelernt hatte, und hatte ein Brecheisen in der Hand auf dem noch das Preispickerl klebte.
Wenn es in dem Moment in meinem Verstand irgendwo einen Hauch von Protest oder zweitem Gedanken gab, dann hat den mein Fokus definitiv übertönt.

Ich hatte Glück. Ich hatte Glück, das niemand das Geräusch gehört hatte mit dem das Holz der Tür und das Metall des Schlosses sich voneinander verabschiedeten. Ich hatte Glück, das Clemens keine Sicherheitstür hatte. Und ich hatte definitiv Glück, das niemand den Krach gehört und nachgeschaut hatte, was hier los war. Aber ich war drin, und das war alles was für mich zählte.

Die Tür schloss zwar nicht mehr richtig, aber ich drückte sie zu, und hoffte das niemand beim Vorbeigehen den Unterschied merken würde. Dann begann ich meinen Streifzug durch die Wohnung. Ich hatte meine Digicam mit und wollte alles dokumentieren, um es später in aller Ruhe zu analysieren und rauszufinden, zu welchem Hobby mir Clemens nun verhelfen konnte.

Es war eine nette Wohnung, gute 50 m2 groß. Sehr hell, aber eher funktional eingerichtet. Fertigmöbel von IKEA, wenige Ziergegenstände. Alles sehr sauber, selbst die Küche und das Bad. Ich stellte fest, dass Clemens offensichtlich selten daheim aß oder gar kochte, denn im Kühlschrank herrschte gähnende Leere. Dafür nutzten wir das gleiche Duschgel und den gleichen Rasierschaum. In seinem Wohnzimmer gab es ein einzige Bücherregal das zwar zur Decke reichte aber nicht wirklich dicht bestückt war. Nach dem Gespräch mit ihm vom Vortag, hatte ich eigentlich etwas anderes erwartet.

Schliesslich hatte ich jeden Raum genau untersucht und hunderte Fotos geschossen. Aber was ich von der ganzen Sache wirklich lernen sollte, wollte sich mir einfach nicht erschliessen. All der Tatendrang und Fokus war plötzlich wie weggewischt, ich spürte wie all die Aufregung und Energie von mir flossen. Ich weiß nicht was ich erwartet hatte zu finden. Eine Art Erleuchtung jedenfalls. Und die trat nicht ein.

Enttäuscht packte ich meine Sachen zusammen und verlies die Wohnung. Vorher hatte ich noch einen Zettel geschrieben und mit einem 500 Euro Schein auf den Tisch gelegt. "Tut mir leid, falsche Tür." Sicherheitshalber hatte ich dafür den Computer und Drucker in Clemens Wohnung verwendet.

Als ich dann wieder in meiner Wohnung war, widmete ich mich sofort der Analyse der Fotos. Druckte einiges aus, verwarf ein paar, sortierte sie. Und währenddessen ich mich da so vertiefte, und vergas, das ich eigentlich nach etwas in der Wohnung suchte, das mir zu meinem Hobby verhelfen sollte, bemerkte ich, dass ich es bereits gefunden hatte. Fremde Wohnungen anzuschauen, mich damit auseinander zu setzen wie andere Leute lebten. Davon Fotos zu machen und sie dann aufzuheben. Fast wie Urlaub eben. In dem Moment war ich mächtig stolz auf mich.

- BM out -
 

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