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Ich schrecke hoch und taste die Matratze neben mir ab. Die Welt außerhalb des Konkons, den ich mir aus meiner Decke, in die ich eingewickelt war, gesponnen hatte, ist kalt. Der Kopfpolster neben meinem unberührt. Natürlich. Das Schlafzimmer erstreckt sich in kompletter Finsternis um mich herum gleichmässig bis in die Unendlichkeit. Meine innere Uhr sagt mir, dass es irgendwo zwischen 3h und halb 4h sein muss. Viel zu früh, um viel zu früh aufzustehen. Ich seufze tief, sinke wieder zurück auf meinen Polster. Ich bin alleine, alles ist in Ordnung, ich kann ruhig weiter schlafen. Langsam dämmere ich weg. Ist es wirklich in Ordnung, dass ich alleine bin? Sollte sie nicht doch da sein? Mit den Gedanken an sie schlafe ich wieder ein.


Ich weiß nicht, wann es genau begonnen hat, oder ab wann es mir bewusst aufgefallen ist. Instinktiv lege ich den Zeitpunkt immer auf eine Zeit vor etwa 6, 7 Monaten. Es gab nichts was zu dieser Zeit in meinem Leben so besonderes vorgefallen wäre, etwas dass außergewöhnlicher als sonst oder einschneidender gewesen wäre, um so einen Effekt auf mich zu haben. Irgendwann habe ich halt festgestellt, dass ich nicht mehr allein war. Dass ich jemanden bei mir in der Wohnung hatte.
Ich bin sicher, dass es nicht plötzlich geschehen sein konnte. Irgendetwas musste ich gespürt haben, sonst hätte ich diese Veränderung nicht so hingenommen. Vielleicht waren schon immer wieder mal Dinge verstellt gewesen, oder tauchten an anderen Plätzen wieder auf als ich mich erinnern konnte. Kleinigkeiten die man auf ein schlechtes Erinnerungsvermögen schieben konnte.
Andererseits bin ich wohl tatsächlich seltsam genug, dass man mir zu trauen könnte, dass mich so eine Erscheinung nicht weiters beunruhigt. Aber ich kann mich jedoch ganz genau an diese erste Begegnung erinnern, dieses erste Mal wo ich sie gesehen hatte.

Es war ein Sonntag gewesen, und ich hatte mir gerade einen Teller Suppe aus der Küche geholt und wollte mich damit an den Tisch setzen. Der Fernseher lief, irgendein schwarz-weiß Film aus den späten 50ern. Ich kam also ins Wohnzimmer, und sie saß bereits auf der Couch, die Füße gemütlich auf dem Glastisch liegend, schaute sich den Film an. Sie warf einen kurzen Blick in meine Richtung, und ich stand wie ein Idiot mit dem Suppenteller in der Hand da und starrte sie an.
Sie schien an mir offensichtlich weniger Interesse zu haben, als an dem Cary Grant-Film und so setzte ich mich an den Esstisch und löffelte meine Broccolicreme-Suppe. Da sie mich bei meinem Eintreten ziemlich ignoriert hatte, konzentrierte ich mich auch komplett auf den Fernseher und Teller und Löffel. Als ich fertig gegessen hatte, warf ich noch mal einen Blick in ihre Richtung, aber sie war weg. Es wunderte mich nicht, sie war zu blass und durchsichtig gewesen um wirklich dort zu sitzen. Erst sprach ich der Suppe einen Halluzinogenen Effekt zu, aber da ich die erst gegessen hatte, nachdem ich sie gesehen hatte, war meine Einbildung offensichtlich ohne zu Hilfenahme irgendwelcher Substanzen mit mir durchgegangen.

Als ich am folgenden Sonntag von einem Spaziergang zurück in die Wohnung kam, blieb ich gleich mal verwundert in der Türe stehen. Der Fernseher lief, und ich war nicht bloß sicher, dass er nicht gelaufen war, als ich fortgegangen war, sondern auch, dass ich ihn schon ein paar Tage nicht benutzt hatte. Da nur meine Mutter einen Ersatzschlüssel hatte, und die sich nicht unangekündigt in meiner Wohnung aufhalten würde, war ich einigermassen irritiert. 'Einbrecher nehmen Fernseher mit, und brechen nicht zum Fernsehen in fremde Wohnungen ein', sagte ich mir, während ich mich durch das Vorzimmer Richtung Wohnzimmer schob.
Ich drückte die angelehnte Wohnzimmertür weit genug auf, um sie ausgestreckt auf der Couch liegen zu sehen, den Blick auf den Fernseher geheftet. Scheinbar lief eine Doku, ich konnte zwar den Schirm nicht genau sehen, aber die sonore Stimme des Sprechers erzählte gerade etwas darüber, dass "... die Weißkopfruderente zu den durch Bastardisierung bedrohten Vogelarten gehört...". Kopfschüttelnd ging ich zurück, schloss die Wohnungstür, zog die Schuhe aus und hing die Jacke auf. Dann ging ich wieder ins Wohnzimmer, wo sie zu meiner Überraschung noch immer auf der Couch lag und sich diese Enten-Doku ansah. Als sie mich näher kommen sah, lächelte sie mir zu und setzte sich auf. Da sie mir schon so nett Platz gemacht hatte, musste ich mich natürlich hinsetzen. Anstandshalber natürlich auf das entfernte Ende.
Erst versuchte ich mich darauf zu konzentrieren zu verfolgen was in der Dokumentation erzählt wurde, doch nach einigen Minuten konnte ich nicht umhin und musste zur ihr rüber schauen. Es war nun doch einige Jahre her, dass ich mit einer Frau allein in meiner Wohnung gesessen habe ... auch, wenn es dieser hier offensichtlich irgendwie an Substanz fehlte.
Sie war durchaus hübsch, mit großen Augen und einer markanten Nase die eine Art Höcker hatte, als ob sie mal gebrochen war und einem Pony und einem schlichten Pferdeschwanz. Sie trug ein einfaches T-Shirt mit rundem Ausschnitt und Caprihosen, wie bei allem anderen an ihr, hätte ich der Kleidung keine Farbe zuordnen können. Alles an ihr war blass und farblos, und mit einem leicht bläulichen Schein unterlegt. Sie war nicht komplett transparent, aber offensichtlich nicht wirklich körperlich, feststofflich. Mir war klar, dass ich, sollte ich versuchen sie zu berühren, ich wohl durch sie durchgreifen würde. Aber der Gedanke sie zu berühren ist mir wohl erst viel später gekommen. In dem Moment war ich einfach nur fasziniert, dass sie neben mir auf der Couch saß. Irgendwann merkte sie, dass ich sie anstarrte, und schaute kurz zurück. Sie verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen und nickte dabei wieder Richtung TV. Sie hatte ja recht, dort vorne spielte die Musik, und die Weißkopfruderente war mir nun wirklich nicht sonderlich geläufig. Dennoch warf ich immer wieder einen prüfenden Blick in ihre Richtung, bis ich irgendwann wieder alleine in der Wohnung saß. Die Doku schaute ich aber trotzdem fertig, nur so für den Fall, dass sie wieder kommen würde und wissen wollte, was sie versäumt hat.

Am folgenden Abend traf ich mich mit meinem Freund Viktor und erzählte ihm von dieser Begegnung.
"Na, das hat ja passieren müssen.", war seine Antwort.
"Wie meinst Du das?"
"Na komm, wie oft haben wir dir schon gesagt, dass es längt mal wieder an der Zeit ist, dass du dir ne Freundin suchst? Aber du lässt ja keine an Dich ran, und jetzt hat's dir die Elektrik geschmissen und du fantasierst Dir eine Frau in die Wohnung."
Von dem Standpunkt hatte ich das noch gar nicht betrachtet.
"Ich dachte eigentlich, dass sie ein Geist ist, oder so.", warf ich meine Theorie, die ich mir in der Zwischenzeit zusammen geschustert hatte, ins Rennen.
"Wie? So verlorene Seele die auf Erden wandelt? Oder mehr Poltergeist, Racheakt aus dem Totenreich?"
"Naja, nach bösem Poltergeist schaut sie mir nicht aus. Und bitte, was soll das denn für eine Rache sein?"
"Eine Enten-Doku? Ich will ja nichts gegen den Bildungsauftrag sagen, aber das Fernsehprogramm bietet genug schlechtes Material das unterhaltsamer ist."
Da hatte Vik einen weiteren Punkt gesammelt.
"Aber sollte sie als Poltergeist nicht meine Dinge verrücken? Spuken und so? Mich ängstigen? Ich fand die eigentlich niedlich."
"Ja, wäre ja noch besser, wenn Du dir eine Frau ausdenkst, die Dir noch nicht mal gefällt..."
"Jetzt lass mal deine Idee fallen, dass ich spinne. Was ist wenn sie wirklich ein Geist ist?"
"Dann solltest du wohl einen Exorzisten anheuern. Und dir dann endlich eine neue Freundin suchen." Nachdem er von seinem Bier genippt hatte, wechselte Viktor das Thema und ich lies es dabei bleiben.

Es versteht sich von selbst, dass mich die gesamte folgende Woche lang beschäftigte, ob sie am nächsten Sonntag wieder da sein würde. Ich überlegte mir, alles mögliche was ich tun könnte, und war sogar nah dran gewesen, das Wochenende bei meinen Eltern zu verbringen, und erst gar nicht in der eigenen Wohnung aufzutauchen. Aber die Neugier siegte, und so blieb ich doch daheim. Ich beschloss viel mehr auf der Lauer zu liegen und genau zu beobachten was sie tun würde.

- BM out -
 

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