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Sehr lange, eigentlich viel zu lange, habe ich nicht gewusst, dass man sich vom gros der konsumierbaren Unterhaltung nicht repräsentiert fühlen kann. Als weißer, mitteleuropäischer Mann sehe ich lauter weiße Männer die in Film, TV, Büchern und Videospielen den Tag oder die Welt retten.
Selbstverständlich ist das so.

Dass eine Frau sich weniger mit so einem typischen Helden identifizieren kann, ist eigentlich nicht wirklich überraschend. Somit lässt sich auch die Fantasie in diese Rollen zu schlüpfen und selbst die Heldin zu sein, schwer ausleben. Ich kenne keine einzige Frau, die sich als Arnold Schwarzenegger, Sylvester Stallone oder Bruce Willis sieht.

Irgendwann ist mir das aufgegangen. Seither beobachte ich das Thema mit kritischem Blick. Es reicht immerhin nicht, einfach den Schauspieler auszutauschen und den Rest gleich zu lassen.
Ich denke, dass es einen guten Grund gibt, warum die meisten Young Adult-Romane (Panem, Divergence, Twilight, etc) "starke Frauen" als Protagonisten haben.

Mehr noch gilt das aber sicherlich bei Videospielen. Immerhin ist man dort kein passiver Beobachter, sondern legt tatsächlich Hand an, wenn es darum geht die Welt zu retten.

Jetzt haben wir 2018 und langsam aber doch kommen die Spiele raus, bei denen es vollständig entwickelte weibliche Protagonisten gibt. Es gibt natürlich einige Typen denen das nicht passt, weil sie es anders gewohnt sind, aber das ist jetzt nicht Thema. Die ungefähr zweite Hälfte der Bevölkerung wird nun repräsentiert. Yay.

Doch nun haben wir männliche und weibliche Helden, die weiß und mitteleuropäisch sind. Und schlimmer noch: die sind fast durch die Bank heterosexuell. Die Darstellung von Homosexualität ist schon schwierig, weil sie besonders kritisch betrachtet wird. Wenn ein Spiel versucht einen schwulen (Neben-) Charakter einzubringen, wird automatisch jede Dialogzeile, Animation und Textur auf die Waagschale gelegt.

Aber es stimmt schon. Wenn wir alle Leute inkludieren wollen und möchten, dass sie sich als Helden ihrer Geschichte fühlen, ist das notwendig.

Ich frage mich aber, ob es nicht eine Grenze gibt. Es ist schlicht nicht möglich JEDE Kombination aus Geschlecht, Hautfarbe und sexueller Vorliebe, etc abzubilden.
Konkretes Beispiel das mich zu diesem Gedanken bringt, ist eine aktuelle "Kontroverse" rund um das Spiel 'Cyberpunk 2077'. Nach einem von manchen als unpassend empfundenen Tweet des Entwicklers, regen sich einige Leute auf, dass das Spiel nicht inklusiv genug wäre. Die Tatsache, dass sich Cyberpunk 2077 noch eine Weile in Entwicklung befindet, und eigentlich keiner weiß wie es wirklich sein wird, spielt für die Leute keine Rolle.

Als weißer, mitteleuropäischer, heterosexueller Kerl verstehe ich die Aufregung natürlich nicht wirklich. Ich bin ja bereits inkludiert.
...aber ich rege mich ein wenig über die Aufregung auf.

Denn die Speerspitze der Kontroverse ist jemand der sich selbst als "genderfluider pansexueller" bezeichnet. Wie in aller Welt soll man diese Kombination in einem Videospiel glaubhaft und respektvoll wiedergeben? Und sollten die Entwickler es probieren: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich mehrere genderfluide pansexuelle dann inkludiert und repräsentiert fühlen?

Heutzutage wird der Begriff "Schneeflocke" gerne als Beleidigung herangezogen. Ich bin kein Freund des Begriffs, ich bin kein Freund des Beleidigens ...aber ganz im Ernst, genderfluide pansexuelle sind Schneeflocken, wenn sie sich darüber aufregen, in einem Videospiel nicht repräsentiert zu sein.

Der Kicker ist: Cyberpunk 2077 ist ein (der Name deutet es eigentlich an) Rollenspiel, das in der Zukunft spielt und eine Welt darstellt, in der Menschen Implantate haben um die Umgebung zu hacken, schneller zu laufen oder durch Wände zu schauen. Ein Spiel in dem man die Freiheit hat hinzugehen wohin man will, zu tun was man will und zu kämpfen wie man will, und bei dem es unterschiedliche Dialogmöglichkeiten gibt.

Wenn ein genderfluider pansexueller es schafft sich als so ein Supersöldner zu sehen, dann wird er es wohl doch auf die Spielwelt projezieren können, dass sein Charakter genderfluid und pansexuell ist, oder?

Brauche ich eine Texttafel oder eine Checkbox die mir bestätigt, dass ich bei der Entwicklung berücksichtigt wurde?
Denn ganz im Ernst: ich bin bereits inkludiert, aber sogar ich muss mich auf diese Spielwelt einlassen und auch ich muss meine Ideale und Vorstellungen projezieren. Das ist auch der Reiz dieser Spiele.

Und als Disclaimer: ich will den Tweet der Entwickler nicht entschuldigen. Ich will weder den Entwickler oder das (noch nicht fertige) Spiel verteidigen. Ich will auch erst gar nicht die Wichtigkeit runterspielen, die die Darstellung von nicht-heteronormativen Charakteren hat.

...aber vielleicht wäre es echt mal wieder gut, wenn genderfluide pansexuelle gluten- und laktoseunverträgliche Veganer nicht sofort die Hand heben, wenn jemand etwas twittert, das mehrere Interpretationen zulässt.
la-mamma hat am 26. Aug, 08:34 ein Lebenszeichen gegeben
Obwohl ich gar nix mit Computerspielen am Hut hab, find ich diesen Beitrag äußerst gelungen! 
Black_Mage hat am 31. Aug, 20:38 den Schein gewahrt
Danke :) 
 

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