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Es hat mich eine Weile gekostet, aber letztendlich hab ich es doch nocht geschafft, und mir vor ein paar Wochen endlich "Der Schwarm" zugelegt. Schließlich kann ein Buch, dass es in 4 Jahren zu 16 Auflagen gebracht hat, und zum Zeitpunkt der Erscheinung wie eine kleine Offenbarung gefeiert wurde, nicht so verkehrt sein. Ich hätte mir das Buch eigentlich schon fast letztes Jahr auf Weltreise gekauft ...aber mal im Ernst, wo ist der Sinn darin, sich ein deutsches Buch in der englischen Übersetzung zu kaufen, und dafür auch noch mehr Geld hinzulegen? :)

Gut, wo beginnt man mit einer Rezension bei einem 1000 Seiten Buch? Schliesslich will man nicht zuviel von der Handlung vorweg nehmen, ins besondere wenn sich das Buch viel Zeit nimmt, die Geschichte und seine Schlüsselcharaktäre aufzubauen. Die großen Erkenntnisse (die man sich zum Teil schon im Laufe des Lesens vielleicht zusammen reimt), passieren erst ab der zweiten Hälfte, und selbstverständlich überschlagen sich die Ereignisse auf den letzten 100 Seiten.

Ich versuche den Plot also mal so oberflächlich wie möglich, in wenigen Worten zusammen zu fassen: Überall auf der Welt häufen sich seltsame Ereignisse, bei denen Schiffe verunglücken, Segler, Fischer und Taucher verschwinden. Wale greifen Whale Watcher an und ein norwegisches Öl-Unternehmen trifft auf seltsame Tiefsee-Würmer. An all den Fronten arbeiten Wissenschaftler an den Phänomen still vor sich hin, bis sie sich kurzschließen und drauf kommen, dass dahinter eine Bedrohung steckt, welche die gesamte Menschheit ausrotten könnte.

Den letzten Satz hab ich nur noch deswegen hinzugefügt, weil sonst nicht wirklich viel Spannung aufgekommen wäre. Außerdem klingt selbst der Rückentext des Buches aufregender als meine Zusammenfassung hier :)

Plot beiseite, ein 1000 Seiten Buch, dass sich 500 Seiten Zeit nimmt, die Charaktäre und die Vorgeschichte zu erzählen - kann das spannend sein? Natürlich. Ist es das in dem Fall auch? Erstaunlicherweise, ja.

Frank Schätzing baut im Prinzip zwei Protagonisten auf. Auf der einen Seite den norwegischen Sigur Johannson und parallel dazu den kanadischen Wal-Verhaltensforscher Leon Anawak. Die Geschichten der beiden werden also gleichzeitig erzählt, und beide bekommen ein glaubwürdiges Persönlichkeitsprofil, mit ihren Höhen und Tiefen, Ecken und Kanten. Es sind zwar beides Sympathieträger, aber eben durchaus mit Selbstzweifeln, Hintergedanken und Fehlern versehen. Dazu bekommt jeder eine handvoll Leute spendiert, die in ihrer Umgebung auftauchen und nicht weniger lebensgetreu modelliert sind. Bei all der liebevollen Charaktergestaltung, die sich durch das gesamte Buch zieht, ist es umso erstaunlicher, mit welcher Leichtigkeit Schätzing die Leute mit der Zeit (aber dramaturgisch hochwertig) sterben lässt.

Seine Seiten gewinnt das Buch vor allem durch populärwissenschaftliche Abhandlungen, die sich in die Handlung flechten. Dabei bedient sich der Autor aber nicht nur des beliebten Vehikels, dass einer den anderen erklärt, was sie eigentlich eh schon wissen, sondern baut auch gerne mal einfach ein Kapitel ein, wo einfach nur die entsprechenden Vorgänge erläutert werden. Diese Einschübe sind leicht zu lesen, geben einen guten Überblick über die Materie, und lassen einen mit dem Gefühl zurück selbst ein Forscher zu sein, der wenige Fingerlängen vom Nobelpreis entfernt steht.

Grundsätzlich liest sich das Buch wirklich sehr flott, und seine Spannungsbögen wogen sich oft zu turmhohen Wellen auf. Besonders wenn an mehreren Fronten gleichzeitig etwas aufregendes passiert, aber die Geschichte konsequent weiter zwischen den einzelnen Handlungsorten springt, und einen somit auf das nächste Kapitel vertröstet, damit man weiß, wie es an dieser Front weiter geht. Ein Stilmittel das ich durchaus als gelungen empfinde.

Ohne zuviel über die zweite Hälfte des Buches und vorallem das Ende verraten zu wollen, möchte ich hier doch ein paar Worte an diesen Teil der Story richten. Und zwar vorallem an der Charakterisierung der USA, vertreten durch die Army und die CIA, stört mich ein wenig, dass sie so sehr dem Cliché entspricht, wie man es auch aus solchen Blockbuster-Filmen kennt, die das Buch mit seiner Geschichte eindeutig imitiert. Generell kann man sagen, dass das Buch sehr filmisch ist, besonders in der zweiten Hälfte dann. Kein Wunder also, dass der Stoff verfilmt werden soll.

Für all jene die "Der Schwarm" schon gelesen haben, möchte ich jetzt noch auf die generelle Thematik des Buches zu sprechen kommen. Die Idee des 'Schwarms' hat mir natürlich sehr gut gefallen, und auch die Konsequenzen wie sie in den Chroniken Sam Crowes im Anhang dazu beschrieben werden. Bin halt ein Dystopiker. Der stetige Fingerzeig, mit dem Schätzing die aktuelle Verhaltensweise und ausbeuterische Haltung der Menschen anprangert, fand ich ehrlich gesagt, aber zu einem gewissen Zeitpunkt ermüdend. Liegt vielleicht daran, dass man heute mit diesem Inhalt übersättigt ist, und 2004 war es vielleicht noch nicht so.

Kommen wir also zu einem Fazit:
"Der Schwarm" ist ein spannender Sci-Fi-Thriller, der sich trotz seines immensen Umfangs sehr flott liest. Ich bin normalerweise jemand, der nur unterwegs liest, aber der Schwarm hat mich streckenweise wirklich so sehr gepackt, dass ich mich gleich beim Heimkommen gleich auf die Couch gesetzt habe um weiter zu schmökern, oder auch ne Stunde früher ins Bett zu gehen um dann noch ne Stunde länger zu lesen, als ich eigentlich auf sein wollte. Für ein Buch dieses Kalibers weißt es erstaunlich wenige Längen auf, und ist auch erstaunlich konsistent. Kein Wunder also, dass es mittlerweile in der 16. Auflage ist - kann ich getrost weiter empfehlen.

- BM out -
la-mamma hat am 31. Mai, 21:57 ein Lebenszeichen gegeben
ziemlich gut getroffen
deine kritik. ich hab dieses buch trotz aller längen und stilistischer mängel auch nicht aus der hand legen können. und die idee(n) dahinter ist (sind) einfach gut!
*
wusstest du, dass dieses buch tatsächlich gar nicht so wenigen leuten das leben gerettet hat? nämlich all denen, die nach der lektürer wussten, wie sich ein tsunami ankündigt ...

*
so nebenbei: bisschen anders aber im grund auch sehr packend sind etliche bücher vom herrn andreas eschbach. die sind auch etwas dünner;-) 
Black_Mage hat am 1. Jun, 09:00 den Schein gewahrt
Eschbach ist, unter den deutschsprachigen, einer meiner Lieblings Romanciers. Bis auf seine Jugendromane hab ich eigentlich alles gelesen, was bislang von ihm erschienen ist. "Das Buch von der Zukunft" fehlt mir noch, steht aber auf meiner Einkaufsliste weit oben.

Ich wusste schon vor der Lektüre des Buches woran man einen Tsunami erkennt, und bin aber sicher, dass ich im Fall der Fälle nicht richtig drauf reagieren würde. Ganz im besonderen, wenn ich dabei an der norwegischen Küste steh :)

Für mich, als jemand der ja selbst gerne mal ein Buch veröffentlichen möchte, ist es ja immer wieder erstaunlich, was alles publiziert wird. Mein eigener Qualitätsanspruch, wird von den Verlagen offensichtlich nicht geteilt. Das mag für "Der Schwarm" nicht zutreffen, das auf alle Fälle durchgehend ein solides Buch ist, dessen Schwächen eben nur dann zu Tage treten, wenn die eigentlichen Stärken mal für kurze Zeit verschwinden. Aber das macht es mir so schwer, in einem Bücherladen willkürlich irgendein Buch zu kaufen, nur weil der Klappentext interessant klingt ... Bücher sind nun mal wie eine Schachtel Pralinen, man weiß nie was man bekommt. ;) 
la-mamma hat am 1. Jun, 22:18 den Schein gewahrt
also beim bücherkaufen hab ich keine probleme
.. deshalb hab ich auch so viele;-)

ernsthafter: klappentexte lese ich grundsätzlich erst nach der lektüre, die sind völlig sinnlos. ich entscheide bei unbekannten autoren immer nach der ersten seite. wenn mir die gefällt, ist die wahrscheinlichkeit dass ich das buch mögen werde, schon einmal deutlich höher als - und das ist für meine geldbörse fast ein segen - bei meinen "blindbestellungen" auf amazon.

ps: eschbachs "ausgebrannt" in gebundener form haben sie mir gerade erst beim libro tatsächlich geschenkt. warum, weiß ich nicht, ich hoffe, es ist deshalb nicht wertlos .. 
Black_Mage hat am 1. Jun, 23:51 den Schein gewahrt
hab das doppelpost gelöscht, hoffe das ist okay für dich.

"Ausgebrannt" ist alles andere als wertlos. Ich habe, ca 3 Monate vor der Veröffentlichung, von meinem Bruder ein Probe-Exemplar bekommen - also war meines auch gratis :)

Mir hat es sehr gut gefallen, ein 'typischer Eschbach' halt. Spannend und packend bis zum Schluß, schon allein weil es diesen Traumzustand, den heute alle leben ("es gibt noch genug Öl für 50 Jahre"), so schön wegwischt, und zeigt, was passiert, wenn das BILLIGE Öl weg ist (und wenn man sich die aktuellen Benzinpreise anschaut, muss man sich fragen, wie weit man von den Entwicklungen des Buches noch entfernt ist).

Mein Lieblings Eschbach ist "Der Letzte seiner Art", falls du den gelesen hast. 
 

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