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Eine der aktuell besten TV-Serien ist „Bojack Horseman“ auf Netflix.
Dabei handelt es sich um eine Animationsserie für Erwachsene. Erwachsen jedoch nicht weil Sex & Gewalt im Vordergrund stehen, sondern weil sich die Serie mit so Themen wie Depression, Alkoholismus und Demenz auseinander setzt.
Mit diesen Themen ist die Serie klar als Drama zu verstehen, hat aber natürlich ihre lustigen Momente, besticht mit Wortwitz und (wie bei den meisten Animationsserien) vielen Details, die im Hintergrund ablaufen.

Die Serie hat bereits 4 Staffeln á 12 Folgen, die graduell düsterer wurden, wenn auch die 4. Staffel letztlich deutlich positiver ausfällt als die Vorhergehende (anders rum wäre auch schwer gegangen…).
Im Mittelpunkt steht der titelgebende Schauspieler Bojack Horseman. In den 90ern war er Star einer Sitcom á la Full House, wo er in 9 Staffeln Alleinerzieher von 3 Waisenkindern war. Danach hat er sich in seine Hollywood Villa zurückgezogen und verbringt seine Tage damit die alte Zeit zu glorifizieren, seine Serie auf DVD zu schauen und sich dabei seinem latenten Alkoholismus zu widmen.

Die einzelnen Folgen sind im Regelfall in sich geschlossen, bauen aber aufeinander auf. Dabei zieht sich nicht bloß ein roter Faden durch die einzelnen Staffeln, sondern (bisher) die gesamte Geschichte. So verschwindet zum Beispiel (um nichts wichtiges zu spoilern) irgendwann das Hollywood-D von dem Hügel. Woraufhin sich die gesamte Region, alle Sendungen und alle Berühmtheiten als „Hollywoo“ bezeichnen, Staffeln später soll ein Film über das Verschwinden des D gedreht werden.

Neben Bojack gibt es eine kleine Gruppe an weiteren wichtigen Personen.
Seinen Dauergast Todd, der einfach irgendwann nach einer Party geblieben ist und seither auf Bojacks Couch schläft.
Princess Caroline ist Bojacks Ex-Freundin und Agentin.
Diane wird Bojack als Ghostwriter zur Seite gestellt, damit seine Memoiren endlich fertig werden.
Mister Peanutbutter ist Dianes Freund und ebenfalls ehemaliger Sitcom-Schauspieler (eine Serie die Bojacks seeeeehr ähnlich ist).

Bojack ist von Selbstzweifeln zerfressen und hat Angst davor, sein bisschen Ruhm zu verlieren, wenn er sich mit einem neuen Projekt blamiert, oder eben die Leute in den Memoiren erfahren, wer er "wirklich" ist.
Ein zentrales Thema, das sich über alle Folgen hinwegzieht, ist wie ihm bewusst wird, dass nichts langfristig dieses Loch in ihm füllen kann, egal wie viel Ruhm und Anerkennung er bekommt, egal ob er seine Traumprojekte umsetzen kann. Warum also etwas anfangen, wenn es nie ausreicht, wenn es einen nie glücklich machen wird?

Diane ist Bojack sehr ähnlich, mit dem Unterschied, dass sie sich nicht damit zufrieden gibt, alles gleich zu lassen. Sie will aus dem Zyklus ausbrechen, sie will sich und die Welt verbessern. Wie Bojack hat sie aber das Problem, dass sie nicht weiß, was sie tun soll, wenn sie bekommt was sie möchte.

Dem gegenüber stehen wiederum Todd und Mister Peanutbutter.

Todd hat ein sehr positives Gemüt, im englischen würde man „happy go lucky“ sagen. Er ist ein Slacker, stolpert aber oft in abstruse Situationen und stolpert genauso aus ihnen wieder heraus. Er tut sehr viel für die Leute in seinem Umfeld, aber meist unbemerkt im Hintergrund, und misst in seiner Naivität seinen Taten nie die Wichtigkeit bei, die sie eigentlich haben.

Mr. Peanutbutter ist jemand der zu allem „Ja“ sagt und stets das Gute in den Dingen sieht. Jede Tür die sich schließt öffnet ein Fenster. Neue Chancen kommen auf den, der bereit ist sie zu fassen, zu. Er geht aber dabei auch so weit, dass er die Dinge die nicht passen, gar nicht wahrnimmt / wahrnehmen möchte.

Was sofort an der Serie auffällt, ist, dass die Welt von anthropomorphisierten Tieren und Menschen bewohnt wird. Viele visuelle Witze laufen darüber, so sind zum Beispiel die Arbeiter auf einer Baustelle Ameisen und Bienen. Auch spielen die Tierrassen ein wenig in die Persönlichkeit der Charaktere. Mr. Peanutbutter ist ein Hund, und dementsprechend leicht zu begeistern und loyal (und versteht nicht wie man Tennis spielen kann, wo keiner den Ball fangen will). Bojack ist (wie sein Nachname verrät) ein Pferd und Princess Caroline eine Katze. Mehr ist aber nicht hineinzulesen und man „vergisst“ schnell, dass hier Tiere und Menschen miteinander reden. Außer natürlich die Serie macht extra darauf aufmerksam.
Davon darf man sich nicht abhalten lassen.

Besonders toll finde ich aber das Voice Cast.
Will Arnett könnte mir das Telefonbuch oder Kontoauszüge vorlesen und es wäre mir nicht langweilig. Seine sonore Stimme ist ideal für ein 50-jähriges Pferd (das kommt nicht mal im Ansatz als Kompliment rüber, oder?).
Diane wird von der großartigen Allison Brie gesprochen und Todd von Aaron Paul, dem Breaking Bad Junkie Jesse Pinkman.
Mit diesen Profis am Werk kommen die bissigen Dialoge und die dramatischen Ereignisse sehr gut über den Bildschirm.
Und das sage ich in dem Wissen, dass eine der besten und dramatischten Folgen unter Wasser spielt, wo kein Wort gesprochen wird.

Wie ich zu Beginn gesagt habe, ist es eine der besten Serien und ich kann sie wirklich nur jedem empfehlen. Es ist keine Feel-good-Sendung. Und sie kann einen mit sich runterziehen. Oder sie kann einem zeigen wo man selbst im Leben steht. Nicht ohne Grund ist einer der am höchstbewertete Youtube-Kommentare zum Trailer von Staffel 4 “Hooray, who else is wildly excited to feel manically depressed?“

Bojack Horseman ist eine Hochschaubahn der Gefühle …und ich mag Hochschaubahnen normalerweise nicht, und empfehle die Serie trotzdem. Ein besseres Kompliment gibt’s nicht, oder?

- BM out -
 

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