das andere
Fiktion
Gearbeitetes
Gebautes
Geduschtes
Gefundenes
Gehörtes
Gekochtes
Gelesenes
Gelistetes
Gequotetes
Geschriebenes
Gesehenes
Gespieltes
Gestandenes
im Suff
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
icon

 
Als Stadtrandkind war die Fahrt zum Spitz schon ein "in die Stadt fahren".
Mit dem Weg zur Straßenbahn und inklusive Wartezeit war die Fahrt mit dem 32er gerne mal 25 Minuten lang. Auch wenn alle anderen – und vor allem weiteren – Strecken mit dem Rad bewältigt wurden …nach Floridsdorf rein fahren, war eher ungewöhnlich.

Beim Spitz war aber im Regelfall auch schon Endstation. Denn an die alte S-Bahnstation habe ich bis heute nur Alptraumhafte Erinnerungen. Es gab natürlich noch die Möglichkeit mit dem 31er bzw 31/5 über die Donau zu fahren, aber da war man nach 30 Minuten gerade Mal am Schottenring. Außerdem hat einen natürlich über die Nordbrücke der 34A zur Nußdorferstraße gebracht.

Im großen und ganzen gab es aber keinen Grund noch weiter in die Stadt zu fahren. Denn im Bezirkszentrum gab es bereits alles was es auch auf der anderen Donauseite gegeben hätte. Den Gerngroß, den ich wahrscheinlich als Kind /Jugendlicher nie betreten habe, den Interspar der auch mehrstöckig alles angeboten hat, und eben das ES. Den Einkaufsspitz.

Das ES war die Zulaufstelle für alles.
Es hatte einen Libro bei dem man im Herbst seine ganzen Hefte und Mappen für das Schuljahr gekauft hat. Den Rest des Jahres war es eigentlich nur Anlaufstelle für den Kauf von Bravo-CDs und, nach Geldgeschenken zu Weihnachten und Geburtstag, auch mal einer Maxi-CD.
Es gab einen Delka, der als Kind nochmals extra spannend war, weil er eine Kinderecke mit Hutsche hatte.
Es gab mehrere Gewandgeschäfte, allen voran den Hettlage, aber auch ein paar Spezialitäten-Fetzenläden.
Ein Spielzeuggeschäft.
Ein Bistro, das aus zwei guten Gründen in Erinnerung bleibt. Grund 1: weil es etwas ganz besonderes war dort mit meiner Mutter etwas zu essen. Grund 2: weil es dieses Bistro war, weshalb ich letztlich in die HBLA gegangen bin. Ich wollte auch so ein kleines Restaurant betreiben und mein damals bester Freund, wollte in so einem kleinen Restaurant arbeiten.

Als Jugendlicher war das ES dann spannend, weil es die Paperbox dort gab, die vor allem wg ihrer „versauten“ Geschenksideen unsere pubertären Gehirne bespaßt hat.

Mit dem Neubau der S-Bahnstation, der Anbindung an die U6, dem besseren Anschluss an das Donauzentrum, der Bau der Millenium City und meinem allgemeinen Verständnis davon wo „die Stadt“ lag, hat das ES Ende der 90er brutal an Wichtigkeit verloren.
Die „besseren“ Geschäfte verschwanden, die Mieter-Fluktuation stieg, dann kamen gar keine Nachmieter mehr rein. Ende 2013 hat das ES dann endgültig geschlossen. Das kam mit dem typischen Schock, dass etwas, um das man sich nicht gekümmert hatte, plötzlich nicht mehr zur Verfügung stand.

Mittlerweile wohne ich ja im Bezirkszentrum und gehe täglich am ES vorbei.
Auf den dreckigen Scheiben kann man inzwischen kaum mehr mit dem Finger Nachrichten hinterlassen, und an den Stellen wo das Glas nicht schon komplett blind ist, wird es von Postern für irgendwelche türkischen Discos und Events zugekleistert. An zwei Stellen mussten eingeschlagene Fenster mit Holz verbarrikadiert werden.
Nur die Auffahrt zum Parkdeck stand weiterhin offen. Irgendwann war der Querbalken entfernt worden und die dunkle Rampe hat nicht mal zu waghalsigen Abenteuern (für die ich natürlich bekannt bin) eingeladen.
Ich habe oft beim vorbei gehen phantasiert, was nachts auf der Garage los sein muss. Obdachlose und Junkies die sich Messerstechereien liefern, um zu klären, wer die saftigsten, der überdimensionalen Ratten grillen durfte…

Seit letzter Woche ist die Rampe ebenfalls geschlossen. Gelbe Holzplanken versperren selbst meinen Gedanken den Zugang zu dieser vermeintlichen Hochburg der unorganisierten Kriminalität. Damit ist das ES aber völlig tot.

Vor ein paar Monaten habe ich in der Bezirkszeitung gelesen, dass der Herr Bezirkshauptmann weiterhin versucht die beiden Besitzer des ES an einen Tisch zu bringen. Ohne das Einverständnis der beiden kann das marode Gebäude nämlich nicht mal abgerissen werden.
Wenn das ES mal weg ist, geraten zwar auch all die Kindheits- und Jugenderinnerungen daran in Vergessenheit. Was mit dem Gebäude in den letzten Jahren passiert ist, kann aber nicht mal die Nostalgie ausgleichen.

Der Gerngroß ist jetzt ein Müller. Der versiffte Interspar ist seit letztem Jahr ein herausgeputzter Interspar Hypermarkt. ...und der Bahnhof und Bahnhofsplatz nehmen langsam wieder die Form an, wie in meiner Kindheit.

- BM out -
iGing hat am 25. Apr, 19:40 ein Lebenszeichen gegeben
Dieser Text gehört doch eindeutig in die Rubrik "Die Läden meiner Kindheit", die der Herr Trithemius eingerichtet hat: https://trithemius.twoday.net/ 
Black_Mage hat am 30. Apr, 10:59 den Schein gewahrt
Haha. Danke für den Tipp!

Wenn ich noch eine Spur weiter in die Vergangenheit gehe, muss ich an den sogenannten "Getränkeladen" denken. Der hatte, wie der Name verrät, Getränke. Für mich als Kind aber relevanter, hatte er Haribo-Gummizeug. ..aber nicht in den Sackerln, wie man sie heute im Supermarkt bekommt. Die wurden einzeln verkauft.
Dann konnte man sich sein, mit Haushaltsarbeit teuer verdientes, Taschengeld gegen Cola-Flascherl, Gummibären und -schlangen, etc tauschen. Ich habe keine Ahnung mehr, was der Wechselkurs war, aber für ein paar Schillinge hat man schon einiges bekommen.

Praktisch, dass der Getränkeladen nur wenige Gehminuten von der Volksschule entfernt war :D

Der Getränkeladen befand sich übrigens in der Ladenzeile. In den USA wäre das eine Strip-Mall mit 100 Geschäften. In Strebersdorf waren das keine 10 Läden. Trafik, Friseur und Apotheke inkludiert. ;) 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma