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Meine Mutter hat zu meinem Bruder und mir immer gesagt, dass es ihr egal ist wen wir mit heimbringen solange wir glücklich sind.
2011 konnte ich den Gegenbeweis erbringen.

A (keine Ahnung warum ich diese Art von Anonymität betreibe) war für ein halbes Jahr eine Schulkollegin gewesen. Dank einer gemeinsamen Freundin aus dieser Zeit sind wir uns so zumindest bei der jährlichen Geburtstagsfeier (Anfang Mai) immer über den Weg gelaufen. A war mir immer schon zu anstrengend und somit habe ich sie auch nie besser kennen gelernt.

Sie hatte dann einen ziemlich coolen Freund mit dem ich mich ganz gut verstanden habe. Der war so ein bissl Rockabilly und beim Nova Rock 2009 und 2010 haben die beiden seinen Palast von einem Zelt zu unserem Zeltlager gestellt.

Bei der Geburtstagsfeier 2011 ist mir gleich aufgefallen, dass an der A was anders war.
Sie hatte nämlich zu Jahresbeginn mit dem Freund Schluß gemacht, dann einen Nervenzusammenbruch bekommen und sich selbst für ein paar Wochen in die Klinik eingewiesen. Im Mai war sie offenbar aus ihrer eigenen Perspektive wieder gesellschaftsfähig.
Ich war absolut fasziniert. Obwohl ich einen schwer schizophrenen Onkel habe, hatte ich noch nie zuvor jemanden gesehen, der so "kaputt" war. Die A war wie eine Vase die am Boden zerbrochen und dann zusammengepickt worden war. Man erkennt die Vase und kann sie auch wieder nutzen, aber man sieht die gekitteten Sprünge und die Glasur ist an einigen Stellen ab...
Es war mir klar, dass sie Hilfe brauchte, und die Zeit in der Klinik und die Medikemente nicht reichten.

Im Laufe des Abends haben wir ausgemacht, dass sie sich am Nova Rock wieder an meine Gruppe anhängen kann und wir auch Platz in einem der Zelte für sie haben würden. Aus einem blöden Spruch heraus (oder wahrscheinlich mehreren) hat es sich ergeben, dass sie dann gemeint hat, wir würden jetzt eine Beziehung in rückwärts ausleben, da wir uns ja noch nicht wirklich kannten.

Das heißt: Am Abend der Geburstagsfeier Mann und Frau. Das Nova Rock als Flitterwochen. Danach kennen lernen und dann sich nicht mehr / noch nicht kennen.
An diesem Abend schien das eine lustige/gute Idee zu sein.

Nach dem Nova haben wir also Kontakt gehalten und uns öfters getroffen oder sind abends bei ihr daheim gesessen. Ich habe ihre Meerschweinchen gehütet als sie auf Urlaub war. Etc.
Ich gebe zu, dass mich nicht nur die "christliche Nächstenliebe" getrieben hat, sondern auch purer Voyeurismus. Wie gesagt war sie immer schon mühsam gewesen, aber nun hatte sie ihre Fähigkeiten sich selbst unter Kontrolle zu halten, klar verloren.

Irgendwann hat sie mich gefragt, ob ich nicht über Nacht bleiben könnte. Alleine einschlafen wäre so schwierig für sie. Ich habe ein paar Regeln dafür aufgestellt, und klar gemacht, dass ich aufstehe und gehe, wenn sie versucht sich an mich ranzumachen. (Gebranntes Kind, hier.)
Das hat ganz gut funktioniert und somit hat es sich ergeben, dass ich so 2, 3 Mal die Woche bei ihr übernachtet habe. Manchmal habe ich nur gewartet, dass sie einschläft und bin dann gegangen (sie wohnte nur 15 Minuten Gehzeit von mir entfernt), oft bin ich gleich dortgeblieben und dann erst am Morgen heim.

Ich muss sagen, dass ich davon selbst enorm profitiert habe. Denn es ist tatsächlich etwas ganz anderes, wenn man neben jemandem einschläft.
Das ganze ist auch tatsächlich keusch geblieben, auch wenn es dann üblich war, dass wir aneinander gekuschelt gelegen sind und ich einen Arm um ihre Taille oder auf ihrer Brust liegen hatte.

Einige Wochen später hatte ich runden Geburtstag und es gab bei meiner Mutter einen Kindergeburtstag für mich, zu dem ich 4 Freunde mitnehmen durfte. Natürlich habe ich da auch die A eingepackt.
Oh, was für ein glorreiches Desaster das war :D

Sie war noch überdrehter als üblich, komplett neben der Spur, hat mich (so wie am Maiabend der Geburtstagsfeier) als ihren Mann bezeichnet und sich laufend bei mir angehängt.
Außer mir fand das aber niemand faszinierend. Ich sah nur den Superkleber zwischen den Sprüngen glitzern. Sie war zwei Züge die in Zeitlupe aufeinander zurasen.

Eine Woche später gab es eine Art von Intervention, bei der mich meine Familie darauf angesprochen hat, dass mit meiner Freundin was nicht in Ordnung ist. Besorgniserregend nicht in Ordnung. Und eben dass ich aufpassen müsse, und das sie nicht verstehen, wieso ich mit der zusammen bin.
Ich musste erst lachen, bis ich verstanden habe, dass die das ernst gemeint haben.
Schwer aber doch kam es meiner Mutter über die Lippen zu sagen, dass sie doch nicht mit jeder zufrieden ist, die ich vorstellen würde.
Die Erleichterung darüber, dass ich nicht mit der A zusammen war, war ihr aber auch unangenehm.

Ich kann nicht genau sagen, warum ich einige Wochen später aufgehört habe mich um die A zu kümmern. Es war bestimmt nicht dieses Gespräch mit meiner Familie. Ich will auch nicht behaupten, dass ich mir dann eingestanden habe, dass ich nicht selbstlos versuche ihr auf die Beine zu helfen, wie ich es immer behauptet habe. Das Eingeständnis meines Desaster-Voyeurismus kam erst viel später. Es kann auch nicht daran gelegen haben, dass sie mir zu mühsam wurde, weil das war sie eigentlich schon seit ich sie kannte.

Es war dann aber auch gar nicht mehr so notwendig. Nicht weil es ihr plötzlich besser ging. In ihrer Art mit Trubel und aufgewirbeltem Staub abzulenken, hatte sie begonnen zu studieren und einen Studienkollegen als WG-Bewohner gewonnen. Da konnte ich mich davonstehlen und sie ihrem neuen Bekanntenkreis überlassen.
Nach einem bedeutenden Streit im Frühjahr 2012 haben wir jeden Kontakt verloren.

Noch 2011 hat sie dann alle Freunde vor die Wahl gestellt, mit ihr oder einer Anderen befreundet zu sein. Dabei wollte sie erzwingen, dass man die andere auf Facebook "entfreundet" und hat dann totalen Kahlschlag betrieben. Wer sich nicht entschieden hat, wurde einfach von ihr gelöscht. Motto: Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich.
Seither war sie auch kein Gast mehr bei den Geburtstagsfeiern im Mai.
Nur noch der Herr Cinematograph hat sporadischen Kontakt mit ihr, der die Andere nämlich nicht kannte.

So wie meine Mutter erkannt hat, dass nicht jede Schwiegertochter besser ist, als gar keine, habe ich gelernt, dass meine Herzensgüte aber sowas von selbstberreichernd ist.
Bittere Lektionen.

- BM out -
 

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