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Damien Hirst Tigerhai*

1
Vorletzte Woche hat mich eine Arbeitskollegin um meine Meinung gefragt, da ihr Flug nach Miami über Istanbul gehen wird. Kurz nach dem türkischen Putschversuch und dem Anschlag in Nizza war sie wegen ihrer Sicherheit besorgt. Ihre Frage war, ob sie die Möglichkeit zur Umbuchung des Flugs über München oder Frankfurt nutzen sollte.
Meine Antwort war, dass es sie überall erwischen kann und bei dem Aufgebot an Polizei und Militär, das Erdogan in den Städten patroullieren lässt, Istanbul wohl gerade sicherer als Deutschland wäre.

2
In der heutigen Presse am Sonntag war ein Artikel zu Angst ("Wir fürchten vieles - nur meist das falsche"), vor allem der Angst vor einem Terror-Anschlag. In Worten und Grafiken erläutert er, dass die Wahrscheinlichkeit durch ein Attentat zu sterben verschwindend gering ist. Die Angst davor jedoch weitverbreitet.
Neben den großen Todesursachen Herz-Kreislauf (35k) und Krebs (20k) sind selbst die 400 Verkehrsttote im Jahr im Vergleich gewaltig. Jährlich ertinken ca 40 Leute in Österreich - was umgerechnet mehr Tote verursacht als die 200 Tote durch Terror in Europa 2015 gesamt.
Kaum jemand ändert sein Alltagsverhalten gegenüber schwimmen und Autofahren. Währenddessen steckt die Terror-Angst in den Knochen vieler. Sie meiden öffentliche Plätze, Veranstaltungen und beäugen die Mitmenschen kritisch.

3
Letzten November hat Napalm Death in der Simm City gespielt. Nur wenige Tage nach dem Anschlag in Paris waren die Sicherheitskontrollen am Eingang rigoros. Wenn jemand wegen der Garderobenpflicht gemault hat, wurde nur "Denk an Paris." gesagt und jeder Widerstand war gebrochen.
Diesen Montag war Napalm Death wieder in Wien, diesmal in der Arena. Wieder war wenige Tage vorher ein Anschlag auf ein Konzert verursacht worden.
Üblicherweise wird man in der Arena beim Eingang abgeklopft und Taschen werden kontrolliert. Ich hatte daher nicht mit strengeren Kontrollen gerechnet und wurde überrascht. Ich wurde trotz Rucksack gar nicht kontrolliert.
Das ist mir jedoch erst gar nicht aufgefallen.

Erst als ein Typ mit mittel-östlichen Zügen und Kinnbart in der Menge neben mir aufgetaucht ist. Für wenige Sekunden war der Gedanke in meinem Kopf: Moslem - Konzert - keine Kontrollen am Eingang - ...!
Es war lächerlich und ich habe mich auch sofort geschämt.
Sein Bart war nicht viel länger als meiner. Sein schwarzes Shirt genauso einer Metal-Band gewidmet wie meines. In seinen Shorts konnte er noch weniger eine Waffe oder Bombe verstecken, als ich in meinen Jeans.

4
Den Presse-Artikel habe ich dennoch mit einem gewissen Amusement gelesen.
Wenn man mich in dem Moment, im Kaffeehaus sitzend, zu dem Thema gefragt hätte, wäre meine Antwort ganz klar gewesen, dass ich keine Angst vor einem Terror-Anschlag habe. Die bloße Idee. Werde ich mein Verhalten und meine Gewohnheiten ändern? Natürlich nicht. Dann hätten die Terroristen ja bereits gewonnen.

Frag mich aber nicht in dem Moment, wo ein potentieller, radikalisierter Moslem mit Rucksack neben mir in der Ubahn sitzt...
Traurig aber wahr.

- BM out -

* Das Bild war am Cover der Presse. Es zeigt "The Physical Impossibility of Death in the Mind of Someone Living" von Damien Hirst, wie es in der London Tate Gallery ausgestellt wird. Ein echter, in Formaldehyd schwimmender Tigerhai.
 

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